Vorhang auf! Heute zeigt der ORF aus Salzburg, was die Oper „kann“

SALZBURGER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE ´FIERRABRAS´
SALZBURGER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE ´FIERRABRAS´(c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
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Hochkultur droht in der Finanzkrise unter die Räder zu kommen. Oper aber lebt und spült Geld in die Kassen, sofern man sie nicht vorsätzlich aushungert.

Festspielzeit, auch im TV. Nach Anna Netrebkos sensationellem Verdi-Auftritt im „Troubadour“ folgt heute, Montag, im Nachtprogramm (ab 22.20 Uhr) der „Rosenkavalier“ unter Wiens Generalmusikdirektor, Franz Welser-Möst, allgemein als Glücksfall in der jüngeren Festspiel-Geschichte gefeiert. Schön, dass nun via ORF das Publikum potenziert werden kann.

Kurioserweise dürfte zur selben Stunde jenseits des Ozeans die Frage entschieden werden, ob der Spielbetrieb der New Yorker Metropolitan Opera im September wie geplant beginnen kann.

Man glaubt es kaum, aber tatsächlich steht nach monatelangen Querelen um die vom Intendanten verlangte Kürzung der Gehälter aller Angestellten der Met deren Zukunft auf Messers Schneide. Die Gewerkschaft will nicht nachgeben, verweist auf die Millionengage des General-Managers, Peter Gelb. Der sieht sich aufgrund der sinkenden Auslastung des Hauses und der extrem gestiegenen Produktionskosten vor dem Aus.

Vermutlich wird man sich in letzter Sekunde auf einen gangbaren Kompromiss einigen. Somit könnte Anna Netrebko, wie angekündigt, am 24.September als Lady Macbeth in New York eine weitere Verdi-Paraderolle verkörpern.

Ob das Signal auf Grün gestellt wird? Allein, dass sich die Frage stellt, ist bestürzend. In New York hat man mit Zusammenbrüchen Erfahrung. Das American Ballet Theatre musste seinen Spielbetrieb einstellen. Die New York City Opera, im wienerischen Verständnis so etwas wie die Volksoper, ist längst bankrottgegangen.

Die Metropolitan Opera freilich ist mehr als ein Versatzstück im Kulturprogramm einer amerikanischen Metropole. Sie ist neben der Wiener Staatsoper, der Mailänder Scala und vielleicht noch der Covent Garden Opera in London der wichtigste Ort der Pflege der klassischen Musiktheaterkultur weltweit.

Nun könnte man hierzulande mit der Arroganz der Alten Welt hämisch das mangelnde Kulturbewusstsein der „Amerikaner“ kommentieren. Doch sitzen die Europäer ganz offenkundig im selben Boot. In Italien, dem Mutterland der Oper, können nur noch drei Opernhäuser die ausbedungenen Gagen bezahlen. In manchen Städten warten Sänger heute noch auf ihren Lohn für die vorvorige Saison! Rom weiß nicht, ob sein Opernhaus 2014/15 die Pforten öffnen wird.

Freilich: Dass die Netrebko in Salzburg oder in Wien auftritt, wenn sie im Programm steht, gilt auch bei uns nur scheinbar als sicher. Denken wir an die ständigen Querelen um die Festspielfinanzierung, die der scheidende Salzburger Intendant, Alexander Pereira, auszufechten hatte, oder an die Tatsache, dass man in Wien bis vor wenigen Monaten noch nicht wusste, ob das Budget für die Staatsoper für die kommende Spielzeit in trockenen Tüchern ist. Es ist, mittlerweile.

Aber es hat beschämend lang gedauert. Mehr und mehr gewinnt man den Eindruck, der notorische Verweis auf die allseits nötige Spargesinnung ersetzt das Wissen darum, dass Oper, Theater und Konzert zum genetischen Code eines Kulturlandes gehören und daher gar nicht verhandelbar sein dürften.

Traurig, aber wahr: Immer öfter muss die Rede von der sogenannten Umwegrentabilität sein, vom Fremdenverkehrsfaktor, den Festspiele in Salzburg ebenso wie ein erstklassiger Opernbetrieb in Wien darstellen.

Dabei spült ein Haus wie die Staatsoper 34 von 54 Millionen Euro staatlicher Zuwendungen via Steuerleistungen sofort wieder ins Staatssäckel zurück! Die 20 verbleibenden Millionen sind die Gegenleistung für die Ankurbelung der Wiener Wirtschaft an 300 Tagen im Jahr! Das Nämliche gilt für die Festspiele in Salzburg.

Und bei alledem haben wir keinen Cent für die Kulturleistung berechnet, die hier erbracht wird. Kunst „rechnet sich“. Das ist die eine Wahrheit. Während des „Rosenkavaliers“ heute Abend ließe sich aber auch wieder einmal darüber philosophieren, ob es nicht schlicht gut und richtig ist, dass dergleichen überhaupt geschieht. Und ob es nicht andere Werte gibt, als die, die sich in Budgetzahlen ausdrücken lassen.

E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2014)

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