Putins Perfidie und Europas Kleinmut

ITAR TASS ROSTOV ON DON REGION RUSSIA AUGUST 17 2014 Truck convoy carrying humanitarian aid for
ITAR TASS ROSTOV ON DON REGION RUSSIA AUGUST 17 2014 Truck convoy carrying humanitarian aid forimago/ITAR-TASS
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Mit seinem Ukraine-Hilfskonvoi landete Russlands Präsident einen PR-Coup: Der Brandstifter gab den Feuerwehrmann. Ungeschickt, dass ihm die EU auch lange die humanitäre Initiative überließ.

Solche Propaganda-Coups sind ganz nach dem Geschmack Wladimir Putins. Mehr als eine Woche lang waren die Regierung in Kiew und ihre westlichen Verbündeten in Aufregung, weil Russlands Präsident einen Konvoi mit mehr als 200 weißen Lastautos in die Ostukraine schickte. Erst rätselten Misstrauische, was sich darin verbergen könnte. Waffen für die Separatisten gar? Bis Reportern Blicke auf den Buchweizen und den Zucker hinter den Planen gestattet wurde. Dann begann ein tagelanges Tauziehen, wo der Konvoi die Grenze passieren sollte. Schließlich rollte der russische Korso ohne Zustimmung der Ukraine und ohne Rot-Kreuz-Escortservice ins umkämpfte Lugansk. Die Empörung war groß: Der Westen geißelte die Grenzverletzung, der ukrainische Geheimdienstchef sprach hyperventilierend von einer „Invasion“. Im belagerten Lugansk jedoch freuten sich die Menschen über die Hilfslieferungen.

Ein billiger PR-Sieg für Wladimir Putin. Der Brandstifter konnte sich als Feuerwehrhauptmann in Szene setzen. Denn eines muss bei allem Propagandanebel klar sein: Ausgelöst wurde die „humanitäre Katastrophe“ in der Ostukraine, über die Putin nun Krokodilstränen vergießt, durch die Aggression bewaffneter Separatisten, die der Kreml stützt. Hätte die ukrainische Armee die Freischärler gewähren lassen, wäre die Ostukraine heute ebenso verloren wie die von Russland annektierte Krim. Am besten könnte Putin helfen, wenn er die militärische Unterstützung für die Separatisten einstellte.

Wie auch immer die Schuld verteilt sein mag: Die Not der Ostukrainer ist real. Europa agiert erst spät: Bei einem Kurzbesuch in Kiew sicherte Angela Merkel der Ukraine nun 500 Millionen Euro Kreditgarantien zu. Die europäischen Hilfsprogramme, die anrollen, müssten längst laufen. Stärker engagieren sollte sich dabei auch Österreich. Schön und gut, wenn Außenminister Kurz vor dem EU-Gipfel nun auch in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ seinen Vier-Punkte-Plan zur Beilegung der Ukraine-Krise bewirbt: Doch eine Neutralität der Ukraine und eine Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok stehen derzeit nicht auf der Agenda. Jetzt geht es darum, eine Waffenruhe herzustellen. Der Friedensplan des ukrainischen Präsidenten, Poroschenko, liegt auf dem Tisch, hoffentlich geht Putin am Dienstag beim Treffen in Minsk am Rande des Gipfels der Eurasischen Zollunion darauf ein. Die Parameter einer Einigung stehen: Dezentralisierung der Ukraine, Stärkung der Rechte der Russen im Osten, Entwaffnung der Separatisten. Im Gegenzug ein Ende der Sanktionen, die Moskau zu schmerzen beginnen.

Von einer Mittlerrolle kann Österreich nur träumen. Auf humanitärem Gebiet aber könnte die Republik etwas tun. Voraussetzung dafür wäre, die Mittel des Katastrophenfonds und der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) kräftig aufzustocken. Es kann eine Vision sein, Österreich als humanitäre Großmacht zu positionieren und so außenpolitischen Spielraum zu gewinnen: Entwicklungshilfe soll dorthinfließen, wo Österreich Interessen hat. Dafür müsste die Regierung aber Geld in die Hand nehmen. Denn momentan gleicht Österreich mit seinen jämmerlichen EZA-Ausgaben einem Zwergenstaat.

christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2014)

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