Groß an der Koalition ist nur mehr ihr Preis

MITTERLEHNER
MITTERLEHNER(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Der Wechsel an der Spitze der ÖVP zeigt, wie sehr sich die beiden Koalitionspartner aneinander anlehnen müssen. Sonst würden sie nämlich umfallen.

Zugegeben. Hier vor dem Bildschirm, vielleicht noch gemütlich zurückgelehnt, ist es um einiges einfacher. Darum gleich zu Beginn: Wer irgendeine Idee hat, das wirklich schwierige Amt des ÖVP-Obmanns anders und erfolgreich zu gestalten, sollte es unbedingt ausprobieren dürfen. Deshalb verdient der Neue an der Spitze eine angemessene Bewährungszeit, bevor man sich vorab schon wieder allzu sicher ist, dass das alles ohnehin nichts werden kann. Es darf aber auch ja nicht unter den Tisch fallen, dass der bisherige ÖVP-Chef und Finanzminister über das Festhalten an der richtigen Sache gestolpert ist, nämlich das Beharren auf einer finanzierbaren Steuerreform.

Ein Geheimnis bleibt auch, warum Parteien jüngeren Gründungsdatums eine politische Kultur, wie sie in der ÖVP vorherrscht, als Pluralität gutgeschrieben wird, während die Volkspartei mit dem Intrigantenpickerl herumlaufen muss, wenn sie inhaltliche Konflikte einigermaßen transparent ausdiskutiert.

Das gesagt habend, ist es aber auch schon wieder aus mit dem Verständnis: In welchem Parteiakademiekurs lernt man eigentlich auch im Jahr 2014 noch, dass wichtige Entscheidungen über Führungsfunktionen in politischen Parteien binnen Stunden und möglichst in einer aufgeregt einberufenen Abendsitzung zu erfolgen haben? Wo, wenn nicht in einer konservativen Partei könnte man die gute alte Tugend des Einmal-darüber-Schlafens denn sonst pflegen? Und im Ernst: Sehr professionell, durchdacht und vertrauenerweckend wirken all diese Weichenstellungen nicht. Oder hat das schwarze Machtvakuum einen so zerstörerischen Sog, dass es die alte Volkspartei nicht länger als acht Stunden aushalten würde?

Außerdem macht es einen schon recht skeptisch, dass auch diesmal wieder niemandem eine Alternative zu dem alten Besetzungsstrickmuster ÖAAB glatt, Wirtschaftsbund verkehrt (mit einer Bauernbundlaufmasche hie und da) einfallen will. Es wäre sicher verkehrt, übertriebene politische Hoffnungen in Sebastian Kurz hineinzuprojizieren (es sind schon zu viele Wunderkinder den Erwartungen in keiner Weise gerecht geworden). Aber die ÖVP braucht vor allem ein erfolgreiches Zugpferd, wie es Kurz möglicherweise sein könnte, um Wahlen zu gewinnen. Der Sachverstand und die politische Erfahrung der Partei blieben dadurch ja unangetastet.

Das alles ist aber letztlich Sache der ÖVP, die niemandem außerhalb der Partei Sorgen machen sollte. Sehr wohl aber die Geschichte, die uns der schwarze Obmannwechsel über unsere Regierung zu erzählen weiß. Denn Bundeskanzler Werner Faymann hat mit seiner Reaktion auf die Rochade seines Dauerkoalitionspartners („Werde Entscheidung zur Kenntnis nehmen“) gezeigt, was das eigentliche Problem dieses Landes ist: Es gibt für die politischen Protagonisten keine vorstellbare Alternative zur derzeitigen Koalition.

Ein Regierungschef mit mehr Programm als dem Regierungschefsein hätte auf die Frage, wie es nun weitergeht, wohl gesagt: Warten wir, wer kommt. Was er denn will. Wie wir miteinander können. Die österreichische Variante lautet: Koalition um jeden Preis. Dass SPÖ und ÖVP diesen zahlen werden, solange sie nur irgendwie können, ist wieder überdeutlich geworden. Und die Wähler ebenfalls. Denn diese Koalition wird erst enden, wenn sie tatsächlich abgewählt ist, also die beiden ehemaligen Großparteien zusammen keine Mehrheit mehr haben.


Für die wichtigsten Vorhaben der Regierung, die noch nicht einmal ein Jahr im Amt, aber schon ziemlich am Ende ist, verheißt das nichts Gutes. Mitterlehner wird glauben, es sich nicht leisten zu können, als nächster Blockierer einer steuerlichen Entlastung dazustehen. Damit aber ist der Basar unter dem Motto „Was kostet die Welt“ spätestens mit Angelobung der Neuen in der Regierung kommende Woche eröffnet.

Man wird Reinhold Mitterlehner also zunächst daran messen müssen, ob es ihm gelingt, der Versuchung dieses Wettbietens zu widerstehen. Der Preis, hart zu bleiben, könnte hoch sein.

E-Mails an:florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2014)

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