Wir wollen einen "Finanzminister neu" - und keinen Apparatschik

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wenn die Steuerreform nur aus ein bisschen Tarifsenkung bei gleichzeitiger Grundsteuererhöhung besteht, dann wären Neuwahlen wohl besser.

Egal, welche Hauptqualifikation für die Kür des neuen Finanzministers letztendlich ausschlaggebend gewesen sein wird (zur Debatte stehen unter anderem die Kombinationen Bauernbündler und Niederösterreicher, Wirtschaftsbündler und Steirer, Fachmann ohne politische Hausmacht), wir werden den künftigen Säckelwart danach zu beurteilen haben, ob er eine Reform des völlig aus den Fugen geratenen österreichischen Steuersystems schafft oder – wie seine Vorgänger – kläglich am total eingetrockneten politischen System dieses Landes scheitert.

Letzterer Kombination, dem Fachmann ohne politische Hausmacht, raten wir vorerst freilich dringend davon ab, ein diesbezügliches Angebot anzunehmen. Einer davon, Uni-Professor Gottfried Haber, hat seine Vorstellungen für ein reformiertes Steuersystem ja schon vorgelegt (im von Herbert Paierl und Markus Haingärtner herausgegebenen Buch „Reformen ohne Tabu – 95 Thesen für Österreich“).

Die sind blitzgescheit – und damit natürlich völlig inkompatibel mit den Befindlichkeiten der Provinzpopulisten, die gerade die ÖVP hinunterwirtschaften, und denen der Retro-Klassenkämpfer, die das Gleiche (bisher nur mit geringfügig weniger Erfolg) bei der SPÖ praktizieren. Haber müsste sich da extrem verbiegen – oder er hätte ein sehr knappes Ablaufdatum.

Haber plädiert in seinen Thesen für eine völlige Neuordnung des Steuersystems: Der Einkommensteuertarif müsste „fließend“ ab 10.000 Euro Jahreseinkommen ansteigen und ab 100.000 Euro den Höchstsatz von 45 Prozent erreichen. Er müsste alle Einkommen (also auch solche aus Vermögenszuwächsen) enthalten. Transfers und Sozialversicherungen sollten ins System einbezogen werden. Auf diese Weise würde das Steuersystem transparenter werden – und eine Senkung der Steuertarife um drei bis sechs Prozentpunkte und der Sozialversicherungsbeiträge um zwei bis vier Prozentpunkte wäre denkbar.

Wie jeder, der etwas von der Sache versteht, hält Haber nichts von Vermögenssubstanzsteuern, weil die bei hohem Erhebungsaufwand wenig bringen. Und noch weniger von bloßem Herumschnipseln am System, das nur Verhinderer auf allen Seiten aktiv werden lässt.

Genau das ist aber offenbar geplant: Es ist die Rede von ein bisschen Steuertarifsenkung mit Gegenfinanzierung durch irgendeine Form von vermögensbezogener Steuer (damit der Koalitionspartner nicht das Gesicht verliert). Die Grundsteuer bietet sich dafür an – also eine klassische Mittelstandssteuer. Ein Großteil des Grundbesitzes in Österreich (80 Prozent der Fläche) wird ja landwirtschaftlich genutzt. Der ist von der Grundsteuer praktisch ausgenommen: Die dafür fällige Grundsteuer A bringt gerade einmal 23 Millionen Euro im Jahr. Selbstverständlich fallen auch die Güter und Eigenjagden der heimischen Milliardäre in diese Billigkategorie. So viel zum Thema Millionärssteuer. Tragen werden diese Art Vermögensteuer also mittelständische Haus- und Eigentumswohnungsbesitzer und Mieter. Um die gewünschten zusätzlichen 1,2 bis 1,5 Milliarden aufzutreiben, muss die bestehende Grundsteuer verdreifacht werden.


Wenn das die „Steuerreform“ wird, dann wäre es wohl besser, wenn der designierte Vizekanzler, Reinhold Mitterlehner, die Koalition gleich aufkündigte. Eine echte Steuerreform beginnt, so wie das in Deutschland derzeit diskutiert wird, mit der Abschaffung der kalten Progression, mit deren Hilfe den Österreichern die Gehaltserhöhungen der vergangenen fünf Jahre zur Gänze wegversteuert wurden. Danach kommt eine Tarifreform, die die Arbeitskosten senkt. Gegenfinanziert wird dieser große Wurf nicht über Populismussteuern und Schulden, sondern durch eine Durchforstung des Förderunwesens und durch schrittweise Umsetzung der seit Jahrzehnten blockierten Staats- und Verwaltungsreformen.

Das geht nicht, weil die Länder, die Gewerkschafter, die Bauernkammer und so weiter ...? Gut, dann tretet doch zurück und macht Leuten Platz, die sich das Regieren zutrauen. Wenn es jetzt keinen Neuanfang gibt, dann hat diese Regierung jedenfalls ihre Existenzgrundlage endgültig und gründlich verspielt.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2014)

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