Ein kleines schwarzes Zwischenhoch

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Dank neuen Personals, einer Prise Testosteron und eines besseren Ergebnisses in Vorarlberg als erwartet läuft es in der Volkspartei wieder besser. Wären da nicht Spezialisten wie Reinhold Lopatka.

Heute Abend werden zwei Herren das tun, was Politiker nach einer geschlagenen Wahl stets versuchen: die Ergebnisse so zu deuten, dass im Idealfall Minus und Enttäuschung aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden. Matthias Strolz wird das aller Voraussicht nach nicht ganz gelingen, zu hoch war seine Erwartungshaltung und die seiner Mitstreiter. Zweistellig, ja als drittstärkste Partei in Vorarlberg sahen sich viele Neos schon. Ausgerechnet in seiner Heimat, die bei der Nationalratswahl und auf den Innenpolitikseiten der Medien zur Hochburg in Pink umbenannt wurde, dürfte ein – gemessen an Umfragen und Selbstüberschätzung – schwaches Ergebnis drohen. Die Argumentation, dass es der neuen Partei immerhin gelungen sei, auch beim dritten Wahlgang in die gesetzgebende Körperschaft zu kommen, ist zwar richtig, wird aber nicht gehört werden. Die Enttäuschung wird wohl groß sein, die gesamte Partei war im Wahlkampf in Vorarlberg aktiv. Strolz wird sich daher drei Fragenkomplexen stellen müssen: Haben die Neos das richtige Personal an der richtigen Position? Bei der EU-Wahl und in Vorarlberg zeigt sich: nein. Gute Laune und Vermarktung können nicht darüber hinwegtäuschen, dass inhaltliche Grundsatzentscheidungen wie Privatisierungsforderungen nicht gefällt worden sind. Und drittens: Wie wäre es mit ein bisschen Bescheidenheit?

Darin wird sich auch der alte und wohl neue Landeshauptmann, Markus Wallner, üben, der sicher ein Minus und wohl auch den Verlust der Absoluten erklären muss. Der aber in seiner Partei dennoch als Wahlsieger gefeiert werden wird. Auch dabei führt wieder die Erwartungshaltung Regie: Der junge Landeschef ist bereits mit weniger als 40 Prozent auf Bregenzer Boden gehandelt worden, davon wird er heute deutlich entfernt und darüber sein. Beides, relativer Wahlsieg und relative Wahlniederlage, wird bei Reinhold Mitterlehner einen kleinen Mühlviertler Veitstanz auslösen. Nach wenigen Wochen kann er nun weiter an der Legende vom ÖVP-Comeback und dem Mitterlehner-Neustart weben. Umfragen und zum Teils begeisterte Berichterstattung stützen diese gewagte, weil doch sehr kurzatmige These. Vielleicht ist es die Prise Testosteron, mit der Mitterlehner und Hans-Jörg Schelling beim – an Beamtengewerkschaftsstil und ÖAAB-Dialektik gewöhnten – Publikum punkten.


Ausgeplaudert. Aber es wäre nicht die ÖVP, würde die Euphorie nicht aus den eigenen Reihen heraus gedämpft. Ausgerechnet der stets brave, weil schlaue Klubchef Reinhold Lopatka schwadronierte über Finanz- und Steuerpolitik. Eine rasche Steuerreform sei gut für das Land, notfalls könnte und sollte man sie eben auch auf Pump finanzieren. Wenigstens sagte er nicht, dass er wegen ein paar Millionen Euro Schulden nicht schlecht schlafe. Mit einem schnellen Satz wollte der ehemalige Finanzstaatssekretär die bisherige ÖVP-Linie – Steuerreform dann, wenn ein Finanzierungskonzept vorliegt – beenden und die volle Rückkehr der Deficit-Spending-Politik verkünden. Entweder der Steirer hält sich für eine Art Parlamentsbundeskanzler oder er weiß etwas, was wir nicht wissen.

Auch wenn ihn Mitterlehner sofort zurückgepfiffen hat: Man sollte in den kommenden Wochen sehr genau beobachten, was da verhandelt und im Finanzressort berechnet wird. Und genau dies ist der entscheidende Punkt, ob Mitterlehner und Schelling Volkspartei, Regierung und Land stabilisieren: Gelingt es ihnen, ein paar echte Struktur- und somit mittelfristig Sparmaßnahmen mit den Bundesländern und dem Sozialminister auszuhandeln? Wird es bei den Förderungen echte Transparenz (im Idealfall) mit dazugehöriger Datenbank geben? Werden die Lohnnebenkosten sinken? Und am wichtigsten: Gelingt eine Steuerreform, die nicht mit neuen Steuern erkauft ist, sondern eine Vereinfachung und Straffung (Beseitigung von steuerlichen Ausnahmen) bringt und den Steuersatz senkt? Dann und nur dann ist die ÖVP wieder da. Sonst werden auch die Neos bald wieder feiern.

rainer.nowak@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2014)

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