Vor dem Gesetz ist doch nicht jeder gleich

LOBBYING-AFF�RE: OGH ENTSCHEIDET �BER ERNST STRASSER / STRASSER
LOBBYING-AFF�RE: OGH ENTSCHEIDET �BER ERNST STRASSER / STRASSER(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Korruption, das weiß nun auch Ernst Strasser, ist kein Kavaliersdelikt. Dennoch muss die Frage erlaubt sein: Spielt die Generalprävention eine zu große Rolle?

Der Mann hatte seine gute Seiten. Er war auf dem Weg, die ÖVP zu liberalisieren. Oder erweckte zumindest diesen Eindruck. Wäre er geblieben, es gäbe die Neos nicht. Doch der Mann hatte auch eine schlechte Seite: seine Personalauswahl. Die Rede ist von Josef Pröll, ÖVP-Chef von 2008 bis 2011. Eine gewisse Verena Remler machte er zur Staatssekretärin, Christine Marek zur Spitzenkandidatin für die Wien-Wahl, Claudia Bandion-Ortner zur Justizministerin. Vor allem aber: Er holte Ernst Strasser, den früheren Innenminister, der nun als Berater und mit Firmenbeteiligungen sein Geld verdiente, in die Politik zurück.

Und für alle, die es sehen wollten, war schon nach seiner Präsentation als EU-Spitzenkandidat klar: Dieser Ernst Strasser war nicht bereit, sein geschäftliches Engagement von seinem politischen zu trennen. Was ihn an Brüssel interessierte, waren weniger EU-politische Sachfragen als vielmehr die Möglichkeit, sein geschäftliches Betätigungsfeld zu erweitern.

Er tat das dann allerdings derart ungeniert, wie man es kaum für möglich gehalten hätte. Wirklich verwundert war man jedoch nicht. Schließlich mussten auch die britischen Journalisten, auf die der ÖVP-Delegationsleiter dann hereinfiel, mitbekommen haben, dass bei Strasser eine saftige Story zu holen war. Da ihm eben ein entsprechender Ruf vorauseilte.

Diese Story, die Strasser selbst in einem Akt fortgeschrittener Selbstbeschädigung zum Agentenkrimi herunterzudodeln versucht, hat ihm nun höchstinstanzlich eine Haftstrafe von drei Jahren eingebracht, davor waren es vier bzw. dreieinhalb Jahre gewesen.

An der Verurteilung gibt es wenig zu deuteln. Allerdings: Das Strafausmaß erscheint doch relativ hoch. Vor allem, wenn man es, was in solchen Fällen eben gern geschieht, mit Strafen bei Verbrechen gegen Leib und Leben vergleicht.

Ernst Strasser ist Teil einer Reihe: Der frühere Kärntner ÖVP-Chef Josef Martinz fasste in der Causa Birnbacher viereinhalb Jahre Gefängnis aus. Der Kärntner Ex-FPÖ-Chef Uwe Scheuch wurde in der „Part of the game“-Affäre im Erstverfahren zu einer unbedingten Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt. Das Oberlandesgericht hat dies dann in sieben Monate bedingt plus Geldstrafe umgewandelt.

Werden Politiker von der Justiz also zu hart angefasst? Erstinstanzlich jedenfalls, wie auch die Zurückstufungen der Strafausmaße durch die Berufungsgerichte zeigen. Die Intention der Gerichte ist dabei durchaus nachvollziehbar: Dem gesetzestreuen Bürger soll vermittelt werden, dass Korruption kein Kavaliersdelikt ist. Mögliche Nachahmungstäter sollen solcherart davon abgehalten werden, ihre Position zum eigenen Vorteil auszunützen.

Man nennt dies Generalprävention. Allerdings muss die Frage erlaubt sein, ob dieser nicht ein zu hoher Stellenwert eingeräumt wird. Denn eigentlich sollte jeder vor dem Gesetz gleich sein. Also jeder nur für das verurteilt werden, was er selbst angestellt hat. Und nicht auch noch stellvertretend für die Schlechtigkeit der Gesellschaft.

Dass der Staat alles Interesse daran hat, Straftaten zu verhindern und dessen juristische Vertreter daher vom Instrument der Generalprävention ausreichend Gebrauch machen, ist verständlich. Dennoch bleibt ein Unbehagen, dass es manche härter als andere trifft. Nennen wir es den Promi-Malus.

Um nicht missverstanden zu werden. An der Verurteilung Ernst Strassers an sich gibt es nichts zu mäkeln. Es geht lediglich um das Strafausmaß. Drei Jahre Haft für ein Delikt, das nie begangen wurde. Allerdings: Ein Amtsträger macht sich bereits strafbar, wenn er sich Geld auch nur versprechen lässt.

Wobei der Oberste Gerichtshof die Urteile der vorigen Instanzen auch noch insofern abgemildert hat, als er das Fußfesselverbot aufgehoben hat. Ernst Strasser hat nun also nach einem halben Jahr Haft die Chance auf eine Fußfessel.

Gute Führung vorausgesetzt – und davon sollte man bei einem ehemaligen Spitzenrepräsentanten der Republik ausgehen –, sollte er sie dann auch bekommen.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2014)

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