Warum ist Arigona keine Schlüsselarbeitskraft?

Es geht immer noch absurder: Arigona Zogaj beantragt Asyl, ihre Geschwister reisen kameragerecht illegal ein.

Arigona Zogaj scheint zu gelingen, was alle Guten, Grünen und Gesinnungshelden zusammen nie geschafft haben: die Asylgesetzgebung außer Kraft zu setzen. Mit der Annahme eines neuen Asylantrags von Arigona und ihrer Mutter Nurie Zogaj im Erstaufnahmezentrum Thalham wird das Asylrecht ad absurdum geführt. Die Anwälte von hunderten abgeschobenen, weil zuvor abgelehnten Asylbewerbern sollten sich sofort selbst an den Ohren nehmen, sich an diesem einzigartigen Präzedenzfall orientieren und ihre Klienten zurück nach Österreich bringen lassen. Irgendwie hebelt man die Asylgesetzgebung über Jahre aus.

Nur noch einmal zur Erinnerung ein grober Überblick: Familie Zogaj reiste 2002 illegal nach Österreich, der Vater war schon ein Jahr zuvor angekommen, sein Asylantrag war bereits abgelehnt worden. Auch der Antrag der anderen Familienmitglieder wird negativ beantwortet, der Vater geht in Berufung, später die Mutter. Abgelehnt. Der erste Ausweisungsbescheid wird beim Verfassungsgerichtshof angefochten, dort aber bestätigt. Die Sicherheitsdirektion will die Abschiebung vollziehen, diesmal versucht es die Familie beim Verwaltungsgerichtshof, aber der lehnt die Beschwerde ab. Wir schreiben 2005. Jetzt versucht es die Familie, die sich nach drei Jahren in Österreich schon heimisch fühlt, beim Innenressort mit dem Antrag auf Niederlassung aus humanitären Gründen, das Ministerium sieht diese aber nicht. Die Berufung bringt weitere 20 (!) Monate Aufschub bis zur Bestätigung des alten Bescheids des Ressorts. Und wieder geht es zum Verwaltungsgerichtshof, der bestätigt das Ministerium. Im September 2007 werden der Vater und vier Kinder abgeschoben, das Mädchen taucht unter, wird zur Asylikone des Boulevards und zum Albtraum des damaligen Innenministers Günther Platter. Nach Selbstmorddrohung und allgemeiner Empörung über das herzlose Verhalten der staatlichen Organe kommt das Mädchen - auch über dezente Vermittlung des schwarzen oberösterreichischen Landeshauptmannes und mit Wissen anderer Politiker - bei einem Priester unter, der Fall wird auf die lange Wahlkampfbank geschoben.

Das Asylrecht kommt in Diskussion, die neue Innenministerin Maria Fekter will solche Fälle in Zukunft verhindern, indem Paten die Verantwortung für Menschen wie Arigona Zogaj übernehmen, die fühlt sich verständlicherweise längst mehr als Österreicherin denn als Kosovarin. Und was macht Arigona Zogaj 2009? Sie stellt einen neuen Antrag. (Das darf sie, weil die alten, die abgelehnten, nur als Familienmitglied des Vaters eingebracht wurden, nun sind es die eigenen der Frauen.)

Diese Fristenlaufdarstellung ist notwendig, um einen einfachen Satz verständlich zu machen: Arigona Zogaj ist kein Asylfall. Es mag unmenschlich und zynisch klingen, ist aber die Wahrheit und darf nie vergessen werden. Ein alter kurdischer Kämpfer, der in der Türkei verfolgt wird, hat hingegen sehr wohl Anspruch auf Asyl.

Dass ein junger Mensch nach sieben Jahren Aufenthalt, Schulbesuch, Integration und ewiger Verfahren (der Eltern!) bleiben dürfen müsste, muss klar sein - aber eben nicht unter dem Titel Asyl. Dass nun die Geschwister - am Schluss mit Begleitung einer ORF-Kamera, was ein interessantes öffentlich-rechtliches Verständnis belegt - nach Österreich eingereist sind, ist illegal und dumm zugleich: Die kleinen Kinder hätten legal einreisen können. Das war bisher das eigentliche humanitäre Problem: Die kleinen Kinder waren von ihrer Mutter getrennt. Wenn die Innenministerin nun davon spricht, sie sei ohnehin immer für eine Familienzusammenführung gewesen, aber eben im Kosovo, hat sie zwar recht, aber beweist null Sensibilität. Sondern nur, dass die SPÖ klug gehandelt hat, das medial mühselige Ministerium nicht wie angekündigt nach gewonnener Wahl zurückzuverhandeln.

Viel spricht dafür, dass Arigona Zogaj in einigen Monaten doch endgültig bleiben darf, weil die Mutter und somit auch ihre Kinder „subsidiären Schutz" wegen ihres labilen Gesundheitszustands verdienen. Viel spricht dafür, dass es auch in Zukunft ähnliche absurde Fälle geben wird. (Vielleicht gibt es noch mehr Verwandte?) Man darf auch vorerst nicht damit rechnen, dass der Unterschied zwischen Asylrecht und Migration allgemein erkannt wird und über ohnehin notwendige stärkere intelligente Einwanderung diskutiert wird. Bis auf Weiteres werden wir über Fälle wie jenen Arigona Zogajs reden. Kleiner Vorschlag zum Schluss, wenn das mit dem Asyl, wie zu erwarten, wieder nichts wird: Warum nimmt man sie nicht als Schlüsselarbeitskraft in die Quote? Als Moderatorin der ORF-Sendung „Thema" vielleicht?


rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2009)

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