Die Ressortschöffin

Was bei Gericht gilt, wäre auch in der Politik nicht so schlecht: eine Einschränkung der Laienbeteiligung.

Seit Donnerstag ist die Regierung komplett. Claudia Bandion-Ortner wurde, nachdem sie eine Grippe und die Ausfertigung des Bawag-Urteils hinter sich gebracht hatte, als Justizministerin angelobt. Sie ist die große Überraschung in diesem Kabinett, das personell eine Art Joint Venture aus Mietervereinigung und Bauernbund darstellt. Und wie immer, wenn überraschende Personalentscheidungen bekannt werden, fragte man sich im vergangenen Advent: Warum wird eine politisch unerfahrene Frau Justizministerin, deren ununterbrochenes 15-jähriges Engagement als Strafrichterin am Landesgericht eher nicht darauf hindeutet, dass wir es mit einem Fall international anerkannter juristischer Brillanz zu tun haben?

Es gibt dazu unterschiedliche Hypothesen. Ziemlich sicher dürfte sein, dass ihre Nominierung durch die ÖVP etwas mit dem Bawag-Prozess zu tun hat. Darüber, ob sie ihr Avancement stärker ihrer dort gezeigten juristischen Kompetenz verdankt oder dem Umstand, dass sie durch diesen Prozess zum Bestandteil der „Seitenblicke“-Gesellschaft geworden ist, kann man bereits unterschiedlicher Ansicht sein.

Frau Bandion-Ortner will Fragen zu ihrer Abendgestaltung und zu ihren modischen Accessoires neuerdings nicht mehr beantworten. Das ändert freilich nichts daran, dass man sich als Bürger für die Gründe interessiert, die zu einer so problematischen Nominierung führen. Sollten sich nämlich bei näherer Betrachtung nicht inhaltliche Gründe dafür finden, dass man die Richterin eines nicht rechtskräftig entschiedenen, politisch hochgradig heiklen Verfahrens zur Justizministerin ernennt, müsste man ja annehmen, dass jene Zyniker recht haben, die meinen, Frau Bandion-Ortner sei ganz einfach das, was sich der niederösterreichische Bauernbund unter Glamour vorstellt, eine Art Karl-Heinz Grasser für die Landjugend.


Interessanterweise wurde Bandion-Ortners Ernennung bisher öffentlich nicht problematisiert. Dabei trifft man kaum einen Juristen, der – naturgemäß unter Hinweis auf die Nichtzitierbarkeit seiner Einschätzung – nicht von sich aus über die problematischen bis skandalösen Umstände dieser Ministerernennung reden wollte.

Vor allem aber die Bestellung des Bawag-Staatsanwaltes Georg Krakow zum Kabinettschef der neuen Ministerin stößt bestenfalls auf Unverständnis: Es wäre ein Wunder, würden nicht in den Berufungsverfahren die Anwälte der erstinstanzlich Verurteilten auf Befangenheit plädieren. An Indizien fehlt es nicht. Man könnte beispielsweise die „Kronen Zeitung“ vom Freitag zitieren, die auf den Seiten 2 und 3 eine eher kubanisch anmutende Reportage über die Angelobung veröffentlichte. Frau Bandion-Ortner, hieß es, sei eine „Frau mit Zivilcourage“, die im Bawag-Prozess gezeigt habe, dass „Wirtschaftsdelikte für sie keine Kavaliersdelikte sind“. Und man lobte sie für die Wahl Georg Krakows zum Kabinettschef, die nach dem Motto „Never change a winning team“ erfolgt sei.

Vorbehaltlich einer einschlägigen Änderung durch die neue Justizministerin muss man an dieser Stelle festhalten, dass die gültige Strafprozessordnung Staatsanwaltschaft und Richteramt nicht als „team“ beschreibt, das gemeinsam einen Prozess gewinnen soll.


Gewiss, das mit dem „winning team“ hat weder Frau Bandion-Ortner gesagt noch Georg Krakow. Aber dass die größte Zeitung des Landes Richterin und Staatsanwalt des spektakulärsten Strafprozesses der vergangenen Jahre mit einiger Euphorie – und vor allem: in bester Absicht – als „winning team“ bezeichnet, kann als Beleg dafür gelten, dass die vorgeschriebene Äquidistanz der Richterin zu Anklage und Verteidigung in der öffentlichen Wahrnehmung eher nicht gegeben war. Da dürfen einen die bösen Gerüchte, wonach Krakow in seinem Urlaub vor dem Wechsel von der Staatsanwaltschaft ins Ministerium das Bawag-Urteil geschrieben habe, nicht wundern. Fehlt eigentlich nur noch, dass die Schöffin Zadrazil, die man unterwegs verloren hat, in der Protokollabteilung des Ministeriums auftaucht.

Die ersten öffentlichen Auftritte der Ministerin verstärken den zwiespältigen Eindruck, den ihre Nominierung hinterlassen hat, eher, als dass sie ihn entkräften: Außer juristischem Kinderporno-Populismus und Gemeinplätzen über Höflichkeit und Freundlichkeit der Justiz war da so gut wie nichts. Außer ihrer zweifellos richtigen Einschätzung, dass man die Laienbeteiligung an der Gerichtsbarkeit in Zukunft einschränken sollte.

Es stellt sich nur die Frage, ob man nicht auch wieder einmal über die Laienbeteiligung an der Politik nachdenken müsste.


michael.fleischhacker@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2009)

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