Das verdunkelte Bild der Kirche

Und wieder einmal hat man im Vatikan alles falsch gemacht: Themenmanagement wie im 18. Jahrhundert.

Um zu wissen, dass der Vatikan so ziemlich das unbedarfteste Themenmanagement aller internationalen Institutionen betreibt, hätte es des neuesten Meisterstücks gar nicht mehr bedurft. Im jüngsten Fall fällt aber das Urteil schwer, ob es sich um absichtliche Bosheit oder bloß um übliche Unfähigkeit handelt: knapp vor dem internationalen Holocaust-Gedenktag und auf den Tag genau 50 Jahre nach der Ankündigung des II. Vatikanischen Konzils die Exkommunikation von vier Geistlichen aufzuheben, die sich 1988 unerlaubt zu Bischöfen haben weihen lassen. Einer von ihnen hat erst wenige Tage davor den Holocaust in Abrede gestellt. Und alle vier stehen in diametralem Widerspruch zu entscheidenden Festlegungen des Konzils, die auch das Verhältnis zum Judentum betreffen.

Auch wenn der Gnadenakt kirchenrechtlich keine Rehabilitierung bedeutet und die Betroffenen weiterhin nicht als Bischöfe tätig werden dürfen (und sie sich weiter darum nicht scheren werden), ist das Bild verheerend. Jeder PR-Aspirant im ersten Lehrjahr hätte das voraussagen können. Doch wo das Bild der Kirche verdunkelt ist, das sollten eigentlich auch die meisten Prälaten wissen, leidet ihre Botschaft.

Der größte Wirbel gilt dem Holocaust-Leugner Bischof Richard Williamson, dabei ist sein Fall in Wirklichkeit der weniger wichtige. Seine kruden Geschichtstheorien sind kein Gegenstand für die Kirchenstrafe der Exkommunikation und stehen somit auch nicht der Begnadigung entgegen – aber es hilft Rom nichts, rechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Auch wenn Williamson kein klassischer Antisemit zu sein scheint, sondern offenbar ein Freund jeglicher Verschwörungstheorien, der auch gern davon predigt, dass der Vatikan vom Satan kontrolliert werde, und dass es „absolut sicher“ sei, dass das World Trade Center von „professionellen Demolierern“ im Inneren des Gebäudes zu Fall gebracht worden sei. Eine sensible Politik fragt nicht nur danach, ob alles rechtens ist, sondern auch, wie man verstanden wird. Und nach den Folgen.

Und da sind wir beim zweiten Thema – da, wo nicht nur die Form, sondern die Sache bedenklich wird. Landläufig heißt es beim Stichwort „Lefebvre“ meist nur: lateinische Messe. Wesentlich heikler ist aber, dass die Gefolgsleute des 1991 verstorbenen Bischofs (dessen Vater übrigens im KZ gestorben ist, nachdem er Juden zur Flucht verholfen hat) die seit dem Konzil geltende Lehre der katholischen Kirche zur Religionsfreiheit und zur Ökumene ablehnen. Eine Lehre, die für die Koexistenz von Kirche und Staat im Zeitalter der Demokratie von eminenter Bedeutung ist.

Das Konzil hat das Recht jedes Menschen anerkannt, nach seinem eigenen Willen seine Religion zu wählen und auch öffentlich auszuüben. Die Anhänger Lefebvres gehen hingegen davon aus, dass auch der Staat, zumindest dann, wenn die Mehrheit Katholiken sind, katholisch zu sein hat, in seinen Gesetzen die katholische Lehre widerspiegeln muss und andere Religionen nur so weit tolerieren darf, wie es die Klugheit fordert: „Die falschen Religionen haben kein wirkliches Recht auf ihre Ausübung, da sie eben falsche, irrtümliche Religionen sind.“ („Katechismus zur Kirchlichen Krise“, 1999)

Die Lefebvrianer haben schon recht, dass die Päpste über lange Zeit hinweg das auch so gesehen haben. Ihr Dissens, den sie als Treue zur Kirche begreifen, sei ihnen gegönnt. Gerade weil es hier aber um einen so elementaren Fortschritt im Kirchen- und Staatsverständnis geht, sollte der Vatikan um Klarheit seines Standortes in dieser Frage besorgt sein. Bloß auf die Aussage der vier Rebellen zu verweisen, dass sie „die Lehren der Kirche mit kindlichem Geiste annehmen“, reicht da nicht. Was denn nun? Nehmen sie ihren Widerspruch zum Konzil zurück, oder findet man etwa in Rom diese Differenzen nicht mehr der Rede wert?


Gewiss: Der Akt Roms ist nicht das Ende der Affäre, sondern ein erster Schritt zu unbelasteten Heimkehrgesprächen. Genau deswegen wären, wie schon so oft, klärende Begleitworte am Platz gewesen. So wie man einen besseren Termin abwarten und proaktiv mit den jüdischen Bedenken hätte umgehen müssen, statt im römischen Dreischritt vorzugehen: karge Verlautbarung – Aufruhr und Missverständnisse – nachfolgend zusammengeschusterte Noterklärung (diesfalls für Samstag angekündigt, also immerhin nur sieben Tage nach erfolgtem Pallawatsch).

Man hätte es aber auch einfach lassen und die Strafe wegen Ungehorsams erst dann aufheben können, wenn der Ungehorsam selbst aufhört. Diese Vorgangsweise ist dem Vatikan ja sonst auch nicht gerade fremd. Dass man gerade der kleinen Sekte der Lefebvrianer außergewöhnliche Zugeständnisse macht, mag bei größtem Wohlwollen gerade noch rührend sein. Klug ist es nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2009)

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