Leitartikel: Die Rache der Gedemütigten

Politiker glänzen derzeit mit Ideen zur Begrenzung von Managergehältern. Die Motive liegen auf der Hand.

Dass die Forderung nach gesetzlichen Obergrenzen für Managergehälter populär ist, steht außer Frage. Und wenn der überseeische Politmessias Barack Obama etwas für recht hält, ist es für einen österreichischen Finanzstaatssekretär auf jeden Fall billig.

Also forderte Andreas Schieder, Staatssekretär im Finanzministerium, dass nicht nur die Manager von Banken, denen staatliche Hilfe gewährt wird, in ihren Gehältern begrenzt werden, sondern überhaupt alle, die mit der Führung von staatsnahen Unternehmungen betraut sind.

Unbestreitbar ist das Faktum, dass der „kleine Mann“, der seinen schlecht bezahlten Arbeitsplatz in Gefahr wähnt, es gern sehen wird, wenn man es „denen da oben“ einmal richtig zeigt. Darüber hinaus lässt sich Schieders Forderung aber nicht wirklich gut begründen. Jedenfalls nicht bei den Banken, weil jene österreichischen Institute, die staatliches Partizipationskapital in Anspruch nehmen, nicht Subventions-, sondern Kreditnehmer sind und das Kapital samt Zinsen in der Höhe von rund neun Prozent zurückzahlen müssen. Solange die Banken zahlen (können), ist nicht einzusehen, dass der Kreditgeber sich in die Gehälterfrage einmischt. Wäre denn der österreichische Häuslbauer erfreut, wenn seine Bank ihm als Voraussetzung für einen Kredit vorschriebe, wofür er in Zukunft sein Geld auszugeben habe? Wohl nicht, solange er pünktlich seine Kreditraten zahlt.

Im Fall der staatsnahen Unternehmen ist eine staatlich reglementierte Begrenzung von Managergehältern hingegen vollkommen akzeptabel – als Eigentümer oder Teileigentümer kann der Staat natürlich (mit)bestimmen, welche Gehälter die Manager seiner Unternehmungen beziehen –, aber sie ist nicht unbedingt intelligent: Solange der Arbeitsmarkt im Topmanagement funktioniert, werden die besten Leute dort arbeiten, wo sie den besten Preis für ihre Arbeit bekommen können. Das würde auch im Fall der Vollverstaatlichung der einen oder anderen Bank gelten: Warum sollte jemand, dem man zutraut, in Zeiten wie diesen eine Bank erfolgreich zu führen, einen Job annehmen, dessen Entlohnung weit unter dem Marktpreis liegt? Und warum sollte ein Eigentümer, und sei es der Staat, für eine so anspruchsvolle Aufgabe Leute in Erwägung ziehen, die er nur bekommt, weil sie für besser bezahlte Positionen nicht infrage kommen? Da es Spitzenkräfte geben wird, die es trotzdem machen, weil sie einen Dienst an der Gemeinschaft leisten wollen? Sehr nett, aber in der Regel nur die wohlklingende Umschreibung eines Mangels an Alternativen.

Die Grundregeln des Arbeitsmarktes könnten sogar Staatssekretäre im Finanzministerium, die ihre Nominierung nicht ausschließlich ihrer ökonomischen Expertise verdanken, verstehen. Es liegt also die Vermutung nahe, dass Herr Schieder und die anderen Kämpfer für die neue Managerbescheidenheit ihre Energie aus einem Motivreservoir jenseits des Robin-Hood-Populismus schöpfen.

Man wird fündig, wenn man sich anhört, mit welcher Selbstverständlichkeit heutzutage Politiker, die ihr Lebenseinkommen ausschließlich risikofrei von der öffentlichen Hand bezogen haben, über das „spektakuläre Scheitern des Kapitalismus“ philosophieren. Sie stellen die Mehrheit des politischen Personals und werden in ihrer Analyse selten durch ökonomisches Wissen eingeschränkt. Will heißen: Wir haben es mit der späten Rache der Politiker an den Managern zu tun für die Serie von Demütigungen, die sie in den abgelaufenen zwei Jahrzehnten des sogenannten Neoliberalismus erdulden mussten. Politik und Politiker galten – überwiegend zu Recht, vor allem mit Blick auf die davor liegenden Zeiten des proporzgesteuerten Desasters der verstaatlichten Industrie – als Blockierer und Verhinderer einer Wettbewerbskultur, der wir den Löwenanteil der unübersehbaren Wohlstandsgewinne verdanken. Sie mussten sich als Fossile einer untergegangenen Welt verspotten lassen, als unbelehrbare Verfechter eines Systems, das die freie Entfaltung des Einzelnen und der Unternehmen verhinderte.


Das hat sicher wehgetan, vor allem, weil es stimmte. Weil die Vertreter des Staates zu schwach waren, ihre genuine Rolle als Gewährleister des Wettbewerbs durch die Setzung transparenter Rahmenbedingungen und ihre rigide Kontrolle auszufüllen, haben sie sich gefügt, über weite Strecken mitgespielt und die Faust im Sack geballt. Jetzt sehen sie die Stunde der Rache gekommen. Jetzt, nach dem „Ende der Party“, wollen sie endlich wieder auf Augenhöhe mit den Managern verkehren.

Und das ist naturgemäß ziemlich weit unten.


michael.fleischhacker@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2009)

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