Wann kündigt Abbas endlich die Einheitsregierung mit Hamas auf?

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Bevor die EU überlegt, wie sie Israel mit Sanktionen belegt, sollte sie PLO-Chef Abbas empfehlen, keine gemeinsame Sache mehr mit der Hamas zu machen.

Wenn der Hass einmal von jemandem Besitz ergriffen hat, ist offenbar jegliche Fähigkeit zur Empathie ausgelöscht. Dann geht die Menschlichkeit verloren, gibt es kein Mitgefühl mehr, sondern nur noch Freude über das Leid des Feindes. Vielleicht lässt sich so das Bild erklären, das ein Fotograf wenige Stunden nach dem Attentat auf eine Jerusalemer Synagoge im Gazastreifen aufgenommen hat: Darauf sind maskierte Palästinenser zu sehen, die mit rostigen Äxten posieren, um die Bluttat ihrer Gesinnungsgenossen zu feiern.

Sie waren keineswegs die Einzigen, die sich darüber freuten, dass zwei Palästinenser aus Ostjerusalem vier betende Juden mit einer Schusswaffe und einem Fleischermesser niedergemetzelt hatten. Aus den Lautsprechern der Moscheen in Gaza ertönten Gratulationen, auf den Straßen verteilten Jugendliche zur Feier des Tages Süßigkeiten, im palästinensischen Radio hob man die Mörder als Märtyrer in den Himmel, und ein Funktionär der radikalen Hamas begrüßte ganz offen das Blutbad in der Synagoge; er rief zu weiteren Racheakten auf und machte die israelische Besatzung für die Spannungen verantwortlich, als hätten Palästinenser deshalb einen Freibrief für bestialische Brutalität.

Wenigstens der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, raffte sich zu einer Verurteilung des Anschlags auf, um jedoch im nächsten Atemzug erst recht apologetische Töne anzuschlagen: Es sei Zeit, die Besatzung und damit den Auslöser der Gewalt zu beenden, erklärte der PLO-Chef. Damit hat er recht und dann auch wieder auf fatale Weise unrecht: Denn keine Okkupation der Welt rechtfertigt es, betende Zivilisten in einem Gotteshaus abzuschlachten.

Gewalt, das müssten die Palästinenser mittlerweile wissen, bringt sie in ihrer Auseinandersetzung mit Israel nicht weiter. Hätten sie ausschließlich auf friedlichen Widerstand gegen die widerrechtliche Besetzung ihres Landes gesetzt, wären sie schon viel weiter. Denn jeder Terrorakt schürt das Misstrauen und die Angst der Israelis, dass bei einem Rückzug der Armee hinter die Grenzen von 1967 die Hamas auch das Westjordanland als Raketenabschussrampe missbraucht, um den jüdischen Staat zu vernichten.

Das Fenster für eine friedliche Lösung des Nahost-Konflikts schließt sich, möglicherweise ist es schon zugemauert. Denn der säkulare Streit um Land und Grenzen wandelt sich zu einem Religionskrieg. Wer aber um heiliges Land ficht und Gott auch noch im Blutrausch an seiner Seite wähnt, der will und kann keine Kompromisse mehr eingehen. Unverantwortliche Hitzköpfe schüren diese Feuer der Unversöhnlichkeit, auf beiden Seiten. Dem Attentat in der Synagoge gingen Brandanschläge auf eine Moschee nahe Ramallah und ein jüdisches Gebetshaus voraus.

Ein Gradmesser für den Anstieg hasserfüllter Verbrechen ist das neue Terrormuster, das sich abzeichnet. Die Gewalt wird unmittelbarer: Palästinensische Attentäter stachen in den vergangenen Wochen mit Messern auf ihre Opfer ein, fuhren sie mit Autos nieder. Ein ultimativer, schockierend direkter und primitiver Ausdruck ihres Willens zu töten.

Dass es in diesem Umfeld Israels Priorität ist, sich zu schützen, erscheint nur logisch. Ebenso angezeigt wäre es jedoch, die schrumpfende gesprächsbereite gesellschaftliche Mitte der Vernunft aufseiten der Palästinenser nicht durch weitere Siedlungen zu vergrämen. Mit wem sonst will Israel Frieden schließen?


Apropos Mitte der Vernunft: Im Nachhinein müssen sich die EU, UN-Generalsekretär Ban und auch US-Präsident Obama die Frage gefallen lassen, warum sie im Juni so begeistert darüber waren, dass die Palästinenser ein von der Hamas gestütztes Einheitskabinett bildeten. Es war eine Illusion zu glauben, dass eine solche Allianz mäßigend auf die Terrorgruppe wirkt und den Frieden näher bringt. Für Israel ist es eine Zumutung, mit einer Regierung zu verhandeln, in der Vertrauensleute einer islamofaschistischen Terrorgruppe sitzen, die entweder Raketen über die Grenze schickt oder Mörder anfeuert.

Bevor die EU überlegt, wie sie Israel mit Sanktionen belegen könnte, sollte sie Abbas empfehlen, keine gemeinsame Sache mehr mit der Hamas zu machen.

E-Mails an:christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2014)

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