Chronik eines nicht ganz perfekten Kapital-Verbrechens

Die Griss-Kommission hat bestätigt, was wir eigentlich schon wussten. Jetzt brauchen wir eine wirklich schonungslose Aufarbeitung des Hypo-Skandals.

Nicht, dass wir im nun vorliegenden Abschlussbericht der Griss-Kommission gravierend Neues erfahren hätten: Dass Jörg Haiders außer Rand und Band geratene Kärntner Freiheitliche mit ihrem „moral hazard“ bei der Hypo einen Milliardenschaden angerichtet haben, an dem die Steuerzahler noch Jahrzehnte kiefeln werden, war hier schon zu lesen. Dass die Kontrollorgane – besonders die strikt parteipolitisch besetzte und deshalb eben nicht unabhängige Nationalbank – schrecklich versagt beziehungsweise auffallend weggeschaut haben, auch.

Dass der jetzt im Raiffeisen-Reich Karriere machende Josef Pröll mit seiner Entourage (zu der im Fall Hypo übrigens auch die SPÖ-Zukunftshoffnung Andreas Schieder als damaliger Finanzstaatssekretär gehört hat) bei der Notverstaatlichung zumindest tölpelhaft agiert hat (in der Privatwirtschaft würde das wahrscheinlich für eine Klage der Aktionäre gegen einen so handelnden Vorstand reichen), haben wir nun schwarz auf weiß. Und dass die Regierungen Faymann/Pröll und Faymann/Spindelegger samt ihrer zwischenzeitlichen Finanzministerin Maria Fekter alles in ihrer (Ohn-)Macht Stehende unternommen haben, um den von den Freiheitlichen angerichteten Schaden zu maximieren, ist unterdessen auch Allgemeingut.

Was neu ist: Wir haben das jetzt sozusagen amtlich. Denn die immerhin von der Regierung eingesetzte Griss-Kommission hat sich von der ihr offenbar zugedachten Rolle einer Beschwichtigungs- und Ausschussverhinderungsorganisation emanzipiert und eine hervorragende Arbeit abgeliefert. Sie hat dabei auch mit ein paar Legenden aufgeräumt, die Haider-Fans noch immer verbreiten.

Zum Beispiel mit dem selbst von Universitätsprofessoren hartnäckig behaupteten Schwachsinn, die Haftungen des Landes Kärnten (in der Spitze bis zum Zwölffachen des Landesbudgets) wären mit dem Verkauf an die BayernLB an das Land Bayern übergegangen und somit zum Problem der bayerischen Steuerzahler geworden – und Kärnten hätte erst nach der Zahlungsunfähigkeit Bayerns herangezogen werden können.

Jetzt haben wir also bestätigt bekommen, dass das, was wir über den Skandal wissen (und seit vielen Jahren geschrieben haben), tatsächlich so abgelaufen ist. Nur: Was machen wir jetzt mit diesem Wissen? Gut: Es ist fürs Erste einmal eine hervorragende Ausgangsbasis für den parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der im kommenden Frühjahr ablaufen wird. Aber sonst? Wir reden von einem Schaden in der Größenordnung von 20 Milliarden Euro oder annähernd 5000 Euro für jeden Lohnsteuerzahler. Da kann man ja nicht einfach sagen: „Okay, schauen wir uns das Spektakel im Parlament an, bei dem wahrscheinlich ausgerechnet die Freiheitlichen auch noch die große Lippe führen werden. Und dann Schwamm drüber.“

Wenn wir schon so viel Lehrgeld für größenwahnsinnige Regionalpolitik bezahlen müssen, dann wollen wir wenigstens wissen, was sich die Akteure im Umfeld dabei gedacht haben. Zum Beispiel die abwechselnd roten und schwarzen Steigbügelhalter Haiders in Kärnten, ohne die kein einziger Haftungsbeschluss zustande gekommen wäre. Oder der damalige Bundeskanzler, Wolfgang Schüssel, der das närrische Treiben im Süden stoisch vom Beifahrersitz des Haider-Porsches aus angeschaut und nichts unternommen hat. Oder die Notenbanker, Finanzmarktaufseher und Wirtschaftsprüfer, die offenbar nicht so durften, wie sie gemusst hätten. Ganz zu schweigen von den Regierungen seit 2009, die Schadensmaximierung statt -begrenzung betrieben haben.

Wenn die Aufarbeitung einen Sinn haben soll, dann den, dass solche Katastrophen künftig verhindert werden können. Dafür müssen wir aber alles wissen. Die Arbeit der Griss-Kommission war dafür einmal ein guter Anfang.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2014)

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