In Bildungsfragen gilt längst: Hauptsache anders

Es geht während der Schulzeit nur zum geringeren Teil um das tatsächlich erworbene Wissen. Die Zentralmatura ist trotzdem eine gute Idee.

Gleich zu Beginn und quasi als grundsätzliches Statement: Die Zentralmatura ist eine gute Idee. Vor allem auch aus anderen Gründen als den oft genannten. Also weniger, weil durch gemeinsame Standards gezeigt wird, wo welche Schule in der Ausbildungsqualität steht. Welche Lehrer gut sind und welche weniger engagiert. Und weil am Ende alle Schüler nach zwölf Jahren auf gleichem Bildungsniveau aus dem Schulhaus hinaus ins Leben stürmen. Auf die Uni oder sonst wohin.

Wer Schule aus der Nähe betrachtet, sich ein bisschen mit der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen beschäftigt und auch seine eigene Schulkarriere mit etwas Ehrlichkeit und Distanz beleuchtet, weiß natürlich: Es geht am Ende der Schulzeit nur zum geringeren Teil um das tatsächlich erworbene Wissen.

Viele Faktoren, die darüber entscheiden, ob das in der Schule Erworbene taugt, um zu einem gelungenen Leben beizutragen, sind nicht wirklich messbar: Selbstvertrauen, Bestätigung durch andere, soziale Intelligenz, Ausdrucksfähigkeit, Mut zur Improvisation, gut bewältigte Frustrationserlebnisse. Eine Lehrerin, die den genau richtigen Ton trifft, eine positive Klassengemeinschaft, die jedem erlaubt, sich seinen Fähigkeiten gemäß zu entwickeln, vor allem auch das Umfeld des Kindes zu Hause, das es ermöglicht, im umfassenden Sinn zu wachsen.

Oder anderes: Oft reicht in der besten Schule ein unangenehmer Pädagoge, ein problematischer Mitschüler aus, um aus einer guten Bildungseinrichtung voller Bemühen eine Sackgasse für den Einzelnen zu machen. Und umgekehrt.

W

arum die Zentralmatura trotzdem eine gute Idee ist? Weil wir in der österreichischen Logik der bildungspolitischen Reformblockade inzwischen längst an einem Punkt angelangt sind, an dem die sonst überaus heikle Aussage gilt: Hauptsache anders. Nicht weil alles schlecht ist, sondern weil so viel Gutes und Zeitgemäßes nicht mehr länger auf Verwirklichung warten kann. Weil wir vieles heute schlicht besser wissen.

Die Probleme, die nun bei der Umsetzung der schon verschobenen gleichen Matura für alle auftauchen, zeigen, woran es auch in anderen Bereichen hapert. An klaren Vorgaben derjenigen, die etwas ändern wollen. An der mangelnden Überzeugung jener, die es mit Leben erfüllen und damit umsetzen sollen. Und an der daraus resultierenden Verunsicherung derer, die davon betroffen sind.

An zwei Punkten der Zentralmatura lässt sich das veranschaulichen. Während die vorwissenschaftliche Arbeit, die ein mündliches Maturafach ersetzt und schon in der 7. Klasse begonnen werden muss, relativ glatt läuft, machen die neuen Schularbeiten mit vom Institut für Bildungsforschung zentral ausgegebenen Mathematikaufgaben gröbere Probleme.

Dabei ist der Schritt auf unbekanntes Terrain bei den vorwissenschaftlichen Arbeiten für Lehrer und Schüler wesentlich größer. Doch immerhin waren die Vorgaben klar. Schon in der 7. Klasse musste ein Thema gemeinsam mit dem Betreuungslehrer ausgesucht und beim Stadtschulrat eingereicht werden, die Arbeit zu einem frei gewählten Thema im Jänner fertig sein, davor gab es zig Termine, an denen der Fortschritt kontrolliert wurde. Bei der Matura im Spätfrühling wird das Thema vor der Maturakommissionerörtert.

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iese klaren Vorgaben fehlen bei der Probeschularbeit mit zentral festgelegten Beispielen für alle. Manche Lehrer stellten die Aufgaben als Schularbeit, andere als unverbindlichen Test. Der Stoff, der seit einem Jahr feststeht, wurde zum Teil erst recht kurzfristig bekannt gegeben.

Einzelne Ergebnisse überraschen kaum: Dort, wo die Arbeiten benotet wurden, fielen sie deutlich besser aus als dort, wo sie als freiwilliger Test (zwischen all den mehrstündigen Schularbeiten in der 8. Klasse) abgehalten wurden. Apropos: Vielleicht kann man daraus auch etwas für die PISA-Tests ableiten, die nicht benotet werden?

Nächstes Jahr wird dann niemand mehr über die Zentralmatura reden. Dafür hoffentlich über die Umsetzung der nächsten größeren Bildungsreformen. Zentral. Mit Wahlfreiheit. Wie immer.

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