Keine Toleranz für Faymanns Panik

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Die SPÖ wandelte auf ÖVP-Spuren und startete eine Debatte um den Parteichef. Dafür haben wir aber leider weder Zeit noch Nerven übrig.

Seit Samstag ist die SPÖ-Debatte um den Parteichef also offiziell. Doris Bures richtete ÖBB-Chef und Parteifreund Christian Kern aus, dass er als SPÖ-Vorsitzender und Kanzler keinesfalls infrage käme. Der Mann wird seit Monaten als potenzielle Alternative zum schwächelnden Werner Faymann in Partei und Medien genannt. Kern sei zwar ein guter Bahnmanager, aber das Zeug zum Politiker habe er nicht. Und: Der Mann sei intelligent genug zu wissen, was er könne und was nicht. Also analysierte Bures in Ö1. Und dann gnädig: Ihre Entscheidung, Kern damals als ÖBB-Chef zu engagieren, sei wohl eine richtige gewesen.

In der FPÖ verdiente sich einst Susanne Riess-Passer mit weniger spektakulären öffentlichen Hinrichtungen den Spitznamen „Königskobra“. Bei Bures läge die Betonung demnach auf Königin.

So spricht keine Nationalratspräsidentin. So spricht auch keine ehemalige Bundesgeschäftsführerin. So sprechen in Österreich nur so manche ÖVP-Landeshauptleute, wenn sie sich auf Kosten von Parteifreunden, Obmann et alii profilieren wollen. Denn bisher galt in der SPÖ die goldene Regel: Über interne Rangeleien, über Personalauswahl beziehungsweise -abwahl wird nicht öffentlich geredet. Doch nun ist Kern erstmals von der Parteispitze ins Spiel gebracht worden. Tags darauf distanzierte sich Faymann in der „Pressestunde“ schnell von ebendiesen „Spielchen und Philosophengesprächen“, die seine Vertraute gerade öffentlich gemacht hatte. Das beweist nicht nur eine interessante Rollenverteilung im SPÖ-Führungszirkel und eine mutige Krisenstrategie, sondern zeugt von wachsender Panik. Die Frage, wer der bessere Kandidat für die Spitze sein könnte, als Inhalt eines Philosophengesprächs zu vermuten, ist übrigens besonders hübsch: Faymann, der alte Humanist, schart bekanntlich gern und fast täglich die führenden Intellektuellen des Landes zur Beratung um sich. Beim nächsten Philosophengespräch wird dann über die Verlängerung der Gratiszahnspange debattiert.

Auch inhaltlich muss Bures widersprochen werden: Gerade Manager könnten für bestimmte Perioden in bestimmten inhaltlichen Ressorts punkten und vermutlich mehr Fortschritte erzielen als die vergangenen rot-schwarzen Regierungen. Oder war Franz Vranitzky für Bures auch nur ein guter Bankmanager, der Politik weder verstand noch beherrschte? Bei Klima könnte man in der Beurteilung als Kanzler noch zustimmen, aber ob das in der SPÖ mehrheitsfähig ist?

Das leider wichtigste politische Handwerk kann Kern zudem perfekt: PR und Vermarktung. Noch nie zuvor gelang es einem ÖBB-Chef zu suggerieren, die Bahn erwirtschafte mit ihrem Personal, ihren Bahnhöfen und Zügen satte Gewinne für das Land und brauchte längst keine Milliarden Subventionen mehr.


Aber Faymann hat in einem Punkt uneingeschränkt recht: Jetzt ist nicht die Zeit für langwierige Intrigen und Planspiele. Diese Regierung ist ein Jahr im Amt. Sie hat sich über Monate damit beschäftigt, ob Michael Spindelegger gehen soll und ob Faymann den Beauty Contest beim SPÖ-Parteitag verlieren wird. Beides ist passiert. Nun soll noch eine SPÖ-Debatte die fröhliche Selbstbeschäftigung des ganzen Apparats verlängern? Sicher nicht. Die Regierung hat einen klaren Auftrag: Die Steuerreform muss her, die Abgaben und (!) das Defizit müssen runter. Das ist kein trivialer Job, es wäre schön und eigentlich Pflicht, würde er endlich erledigt. Dazu kommen noch thematische Kleinigkeiten wie die ewig verschleppte Hypo-Abwicklung, der Hunger im Heer, der Ukraine-Krieg vor der Tür und die schmerzenden Russland-Sanktionen und, und, und. Sollte irgendjemand in der SPÖ Herrn Faymann ablösen wollen, bitte sehr. Aber dann sollte das wie immer in der SPÖ rasch und geräuschlos passieren, am besten in der Zeit zwischen den Feiertagen. Sollte das nicht geschehen – wie wäre es mit echter politischer Arbeit, mit Verhandlungen, unfaulen Kompromissen und schnellen Entscheidungen? Stimmt, das wäre einigermaßen überraschend, aber zum Jahreswechsel sollte man nie verzweifeln.

Scheitert die Steuerreform, wird ohnehin wieder gewählt, und dann dürfen wir alle zeigen, wer das Zeug zum Politiker hat. Und wer nicht.

E-Mails an:rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2014)

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