2015 wird über das Pontifikat von Franziskus entscheiden

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Noch nie auch nur in Ansätzen hat ein Papst seine engsten Mitarbeiter so gemaßregelt wie der Mann, der vom anderen Ende der Welt nach Rom kam.

"Ich bin der Großvater von euch allen.“ Diese Worte des Verständnisses, der Nähe, fast der Intimität, hat Franziskus an diesem ersten Sonntag nach Weihnachten bei einer Sonderaudienz in Richtung hunderter italienischer Familien mit Kindern gerichtet. Und er fühlte sich sichtlich wohl in dieser lauten Gesellschaft bunten Lebens fast jeder Altersstufe. Ein Papst, der sich als Großvater versteht? Ausgerechnet dieser Papst? Kann, muss man eine derartige Ansage ernst nehmen? Oder darf das als kaum mehr zu steigernder Zynismus verstanden werden?

So mögen Mitarbeiter an der Kurie im Vatikan, vom Monsignore bis hinauf zum Kardinal, wohl gestern Nachmittag gedacht haben. Sind sie es doch, die ihren Chef gerade während dieser Festtage als konsequenten Zuchtmeister kennengelernt haben, alles andere jedenfalls denn als gütigen Großvater. Die Weihnachtsfesttage der Kurialen waren getrübt von einer harten, noch dazu öffentlich verbreiteten Abrechnung des Papstes mit ihnen, seinen engsten Zu- und Mitarbeitern in den Dikasterien der Zentrale der katholischen Weltkirche, wie sie die Geschichte nicht kennt.

Was hat Franziskus ihnen – offenbar nach eineinhalb Jahren prägender einschlägiger Erfahrungen in Rom – nicht alles an den Kopf geworfen: Geschwätzigkeit, Griesgrämigkeit, Eitelkeit, das Führen eines Doppellebens, ein völliges Vernachlässigen der Seelsorge. Franziskus hat jüngst Krankheiten und Sünden benannt, die er den Kurienmitarbeitern vorhielt, nicht bei Buß- und Fastenübungen, sondern beim offiziellen Weihnachtsempfang. Nein, das wird keine Liebesbeziehung mehr zwischen diesem Papst und „seiner“ Kurie.

2015 wird das Entscheidungsjahr für das Pontifikat von Franziskus. Im Februar trifft der handverlesene Kardinalsrat mit dem Papst zusammen, um weiter über eine organisatorische Reform der Kurie zu beraten und womöglich Beschlüsse vorzulegen, unmittelbar danach versammeln sich dann alle Kardinäle in Rom zum Konsistorium. Und im Oktober folgt die jedenfalls mit Spannung, von manchen aber auch mit Sorge erwartete Bischofssynode. Da soll dann nach dem Willen von Franziskus über neue Wege in der Familienseelsorge beraten werden. Nach den heftigen theologischen Differenzen bei der vorbereitenden Synode im heurigen Herbst scheint derzeit kein Kompromiss in Sicht.

Dabei richtet sich die Aufmerksamkeit besonders auf Kurskorrekturen im Umgang mit Geschiedenen, die zivilrechtlich eine neue Ehe eingegangen sind. Ihnen ist derzeit streng genommen – aber gar so streng ist die gelebte Praxis in weiten Teilen des Kirchenuniversums dann auch wieder nicht, was nur bedingt zur Glaubwürdigkeit kirchlicher Regeln beiträgt – der Zugang zu den Sakramenten verwehrt. Im Herbst werden Entscheidungen gefällt werden müssen. So oder so. Und es wird natürlich Verlierer oder Enttäuschte geben.

2015 wird also das Entscheidungsjahr für das Pontifikat von Franziskus. Er selbst hat sich die Latte hoch gelegt, hat Erwartungen formuliert und in der katholischen Kirche, in der Öffentlichkeit damit noch größere geweckt. Er hat nur die Option, sich durchzusetzen, Widerstände auch zu brechen und – wie Johannes XXIII. – als einer jener Päpste in die Kirchengeschichte einzugehen, denen es gelungen ist, die katholische Kirche aus dem Gestern (oder Vorgestern) in das Heute zu führen.

Indem er der katholischen Kirche Relevanz im täglichen Leben von Familien, Singles, Hetero- wie Homosexuellen zurückerkämpft. Indem es ihm gelingt, die vatikanische Kurie strukturell, organisatorisch und was das Selbstverständnis betrifft aus der Ecke der zentralistischen, dirigistischen Machtzentrale herauszuführen, sie mehr zu einer Service- als Kontrollstelle für die Diözesen zu machen.

Franziskus bleibt nur diese eine Option, sich durchzusetzen. Zu klar hat er sich schon positioniert. In Worten und Werken. Schafft er es nicht, bleibt er hinter seinen Vorgaben zurück, sagen wir es offen, scheitert er also, dann scheitert dieser Papst ganz gewaltig, vor aller Augen, mit schweren, unabsehbaren Folgen für die Gesamtkirche. Dieser Weg wird kein leichter sein.

E-Mails an:dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2014)

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