Böses Erwachen für Michael Häupl nach dem Mega-Party-Monat Mai?

Wiens Bürgermeister kann nicht anders: Er nützt die Gunst des Song Contests und lässt fast ein halbes Jahr vor dem eigentlichen Termin wählen.

Bei der Verwendung von Superlativen sollte mit Bedacht vorgegangen werden. Dennoch, bei aller Zurückhaltung, muss das, was im Mai im und um das Wiener Rathaus „abgehen“ wird, als Mega-Party bezeichnet werden. Als rote Mega-Party. Michael Häupl zunächst beim SPÖ-Maiaufmarsch, dann am 16. Mai als Hausherr und treuer Stammgast beim Lifeball, bereits einen Tag später als Bürgermeister des Veranstaltungsorts bei der Eröffnungszeremonie des Eurovision Song Contests (ESC) und der „Fanmeile“, die bis zum Höhepunkt, dem Finale am 23. Mai, den Rathausplatz beleben wird – eine sonst kaum bespielte Örtlichkeit (Achtung, Ironie!).

Und dieser Mega-Party-Monat soll nicht für ein Vorverlegen der erst im Oktober fälligen Landtagswahl genützt werden? Einer derartigen Versuchung kann nicht einmal ein parteistrategischer Traumtänzer widerstehen. Muss angemerkt werden, dass Michael Häupl so manches vorgeworfen werden mag, aber sicher nicht politischer Traumtänzer zu sein? Er kann dieser Versuchung nicht widerstehen, er kann nicht anders, noch dazu, wo ihn von der für die SPÖ wahrscheinlich erfolgreichen Wahl im Burgenland am 31. Mai Rückenwind erwartet, im Gegensatz zu jenen in der Steiermark und in Oberösterreich im Herbst. Ihm bleibt keine andere Wahl, als die Wahl vor zu verlegen.

Die gesamte Maschinerie wird angeworfen werden, mit allem was dazu gehört: Wiener SPÖ, deren viele verwandten und befreundeten Organisationen, das Rathaus insgesamt und die Unternehmen, die ganz oder großteils im Eigentum der Stadt Wien stehen. Wien wird im Gefolge der – einer wirklichen Weltstadt schlecht anstehenden – ESC-Hysterie als besonders offen, tolerant und attraktiv präsentiert werden. Stimmt ja weitgehend. Nur wird die SPÖ alles in ihrer Macht stehende unternehmen, dies als Erfolg ihrer Arbeit darzustellen. Alles paletti also für Michael Häupl? Steht einem gloriosen Wahlsieg der zuletzt kaum noch erfolgsverwöhnten Wiener SPÖ nichts mehr im Wege? (Außer in der Wiener Stadthalle passiert eine Peinlichkeit wie damals, vor zehn Jahren, bei der Eishockey WM, als das Eis schmolz.)

Nun ja, Partys, Mega-Partys gar, sollen manchmal zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Am Tag danach. Die Wiener SPÖ wird mit all dem Getöse zu überdecken versuchen, dass sie in einer politischen Sackgasse steckt. Der Begeisterung vor fünf Jahren über das erstmalige rot-grüne Regieren auf Landesebene ist Ernüchterung gewichen. Zumindest in der Wiener SPÖ-Zentrale.
Umfragewerte deuten auf einen weiteren Absturz von den zuletzt 44 Prozent Richtung historisches Tief, das ein gewisser Michael Häupl seiner Partei beim ersten Antreten beschert hat. SPÖ-intern wird tief gestapelt: Hauptsache ein Dreier stehe an der Zehnerstelle. Bescheiden ist sie geworden, die Wiener SPÖ.

Parteipolitisch genützt scheint die Rathaus-Koalition in Wien vor allem dem kleineren Regierungspartner zu haben. Was eher selten zu beobachten ist. Im Bund litt die ÖVP zumindest in Vor-Mitterlehner-Zeiten unter dem gegenteiligen Effekt. Das sagt mindestens so viel über die Trägheit und Abgenütztheit der SPÖ aus wie über die Dynamik und Gestaltungsfreude der Grünen.
Mangelnde Lust am Gestalten kann den Grünen nun tatsächlich nicht nachgesagt werden. Zumindest nicht in den für sie offenbar als relevant definierten Themen: Forcieren des öffentlichen Verkehrs und des Radfahrens. Das war's dann aber auch im wesentlichen schon wieder. Auf fast allen anderen politischen Feldern ließen die Grünen die SPÖ weitgehend gnädig gewähren. Oft natürlich auch notgedrungen, die eigene Größe nicht überschätzend.

Der Frühsommer hat es also in Wien in sich. Gelingt es Häupl doch noch, die Abwärtskurve zumindest nicht allzu steil werden zu lassen, verschafft er der gesamten SPÖ eine kurze Atempause. Im anderen Fall ist der Anfang vom politischen Ende des scheinbar unantastbaren Michael Häupl besiegelt. Dass sich die SPÖ insgesamt neu orientieren muss, unabhängig vom Ausgang der heurigen Landtagswahlen, dass sie ihr Angebot nicht nur aufpolieren, sondern erweitern muss, steht völlig außer Zweifel.

E-Mails an: dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23. Jänner 2015)

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