Der Märchenerzähler von Athen wird seine linken Fans enttäuschen

Griechenland fehlt schlicht das Geld, um das Ausgabenprogramm von Syriza zu finanzieren. Die EU sollte hart bleiben, sonst wird auch sie „gräzisiert“.

Die Griechen haben in ihrer Verzweiflung einen Märchenerzähler an die Macht gewählt, einen Mann, der ihnen das Rote vom Himmel versprochen hat. Doch wenn Alexis Tsipras seinen populistischen Oppositionskurs auch als Premier beibehalten sollte, dann wird in Griechenland bald das Licht ausgehen. Denn dann wird der rote Überflieger an einem Felsmassiv zerschellen, das sich Realität nennt. Tsipras mag 36 Prozent der griechischen Wähler bezaubert haben mit seinen sozialistischen Fantasievorstellungen, die Gesetze der ökonomischen Schwerkraft wird jedoch auch er nicht aufheben können.

Griechenland fehlt schlicht das Geld, um die Ideen der Syriza, eines Sammelsuriums ehemaliger linker Splitterparteien, in die Tat umzusetzen. Auf zwölf Milliarden Euro addiert sich das Ausgabenprogramm der Gauklervereinigung. Tspiras will Mindestlöhne anheben, in Sozialprogramme investieren und Kürzungen bei Beamtenbezügen sowie Renten zurücknehmen, mithin also Sparmaßnahmen rückgängig machen, die Vorgängerregierungen mühsam eingeleitet haben, um Griechenland vor dem Bankrott zu bewahren. Das ist zweifellos nett gemeint. Doch wie die Gaben finanziert werden sollen, ohne neue Schulden aufzutürmen, wissen derzeit ausschließlich die Voodoo-Ökonomen aus der „Koalition der radikalen Linken“.

Auch der Schuldennachlass, den Tsipras ausverhandeln will, existiert vorerst nur in der Traumwelt von Syriza. Warum sollten IWF und EU Dutzende Milliarden Euro in den Schornstein schreiben, wenn in Athen eine Regierung im Amt ist, die ihr nicht vorhandenes Geld erklärtermaßen mit beiden Händen ausgeben will? Damit sie ein halbes Jahr nach einem Schuldenschnitt wieder Milliarden in ein rot lackiertes Fass ohne Boden hineinschütten?

Idealtypisch betrachtet, gibt es drei Möglichkeiten, das griechische Schulden- und Wirtschaftsdilemma anzugehen. Option eins wäre die Fortsetzung des bisherigen Konsolidierungskurses, der ausgerechnet jetzt mit zartem Wirtschaftswachstum erste Früchte trägt: Diese Variante haben die Griechen am Sonntag zwar abgewählt, ganz vom Tisch ist sie jedoch nicht. Denn Athen kann in seinen finanzpolitischen Entscheidungen nicht souverän agieren. Leitidee des keineswegs sadistischen Austeritätsprogramms von IWF und EU-Troika ist es, den griechischen Haushalt auf ein gesundes Fundament zu stellen und das Land fit für internationale Märkte zu machen. Diese Übung ist auch deshalb so schwer, weil Griechenland (ungerechtfertigterweise) der Eurozone angehört. Es kann seine Währung nicht mehr abwerten, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Es kann nur die Lohnstückkosten senken, also intern abwerten. Adaptionen dieser harten Tour sind angesichts einer Arbeitslosigkeit von 25 Prozent und der nach wie vor hohen Schuldenquote nötig. Dazu muss früher oder später auch ein weiterer Schuldenschnitt zählen. Zu rechtfertigen wäre dies vor der Gläubigerschar der EU-Steuerzahler aber nur, wenn die Griechen fähig sind, finanziell auf eigenen Beinen zu stehen.

Option zwei wäre eine Daueralimentierung Griechenlands, so wie Deutschland die fünf neuen Bundesländer nach dem Fall der Mauer aufgepäppelt hat. Aber diese Form europäischer Solidarität sollen die Regierungsverantwortlichen zwischen Berlin, Paris und Wien erst einmal ihren Wählern erklären.

Option drei wäre ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Auch bei einem Nachlass der Euro-Schulden käme diese Variante die Griechen vermutlich teuer zu stehen, zumindest bei den Importpreisen. Sie hätten jedoch wieder die Chance, ihre Währung abzuwerten. Dennoch werden sowohl Tsipras als auch die EU letztlich vor den damit verbundenen Risken zurückscheuen.

Am Ende wird es wohl die beliebteste aller Politikeroptionen: das Weiterwursteln. Griechenland behält den Euro bei, einigt sich mit der EU auf einen Kompromiss, führt den Sparkurs mit Abstrichen fort und muss seine Schulden erst später zurückzahlen.

Die Wende in Europa, die Linke aller Lager nach dem Wahlsieg von Tsipras herbeischwärmen, wird indes Wunschdenken bleiben. Eine sozialromantische Ausweitung der Staatsausgaben ist bei den jetzigen Schuldenständen nicht drin.

E-Mails an: christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2015)

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