Eine hilflose Regierung rutscht auf dem Budgetpfad aus

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Österreich scheitert schon wieder bei der Budgetsanierung. Das wird sich auch nicht ändern, solange die Devise „Steuern statt Reformen“ lautet.

An dieser Stelle ist der offizielle Budgetpfad der Regierung zum strukturellen Beinahe-Nulldefizit mangels ambitionierter Reformvorhaben schon mehrfach stark in Zweifel gezogen worden. Jetzt bekommen wir das sozusagen Wifo-amtlich bestätigt: Das strukturelle Nulldefizit, das in Wahrheit ohnehin keines ist, weil dabei ja noch immer die Staatsverschuldung nominell steigt, wird nicht, wie von der EU verlangt, 2015, und auch nicht, wie von der Regierung angekündigt, 2016, sondern frühestens 2020 erreicht. Wenn überhaupt, denn eventuelle Auswirkungen einer Steuerreform oder ein möglicher deflationärer Konjunkturschock sind in dieser Prognose noch gar nicht enthalten.

Kurzum: Die groß angekündigte Budgetsanierung der Regierung Faymann/Mitterlehner/Schelling ist von den heimischen Wirtschaftsforschern soeben für gescheitert erklärt worden. Spätestens 2016 werden wir also wohl ein EU-Defizitverfahren am Hals haben. Schwacher Trost: Das wird nicht so wahnsinnig spektakulär werden, denn große EU-Länder, etwa Frankreich und Italien, versagen bei der Haushaltssanierung noch viel mehr. Und was mit Stabilitäts- und sonstigen Pakten passiert, wenn sie von großen EU-Mitgliedern nicht eingehalten werden können, kann jeder unter dem Stichwort Maastricht-Vertrag nachgoogeln.

Natürlich sagen die Wirtschaftsforscher nicht, dass die Regierung daran schuld ist, dass der Budgetpfad unpassierbar geworden ist. Nein, die Konjunktur ist es. Die bleibt nämlich bis zum Ende dieses Jahrzehnts verdammt schwach. Schwächer jedenfalls als bisher angenommen.

Das klingt irgendwie unglaublich deprimierend: Immerhin haben wir einen extrem niedrigen Ölpreis, einen exportfördernd niedrigen Euro und kaum noch sichtbare Zinsen. Wann, wenn nicht in so einem Umfeld, soll denn die Wirtschaft anspringen?

Dazu kommen noch ein bereits fixiertes und zwei angekündigte gewaltige europaweite Konjunkturprogramme: Mehr als eine Billion Euro pumpt die EZB in ihr Quantitative-Easing-Programm, 300 Milliarden will die EU für ein Konjunkturprogramm aufstellen, und die Milliarden, die ein paar Eurostaaten gern aus einer Finanztransaktionssteuer generieren wollen, könnten ja auch dafür eingesetzt werden.

Die Pferde stehen also bei strahlendem Sonnenschein vor einer prall gefüllten Tränke – aber sie weigern sich zu trinken. Das hat nicht nur damit zu tun, dass die EZB-Geldschwemme eigentlich nicht auf Unternehmensfinanzierung zugeschnitten ist. In diesem Fall müsste die EZB nämlich Unternehmensanleihen, die in Bankbilanzen unterlegungspflichtig sind, aufkaufen, um Eigenkapital für die weitere Kreditvergabe freizumachen. Und nicht Staatsanleihen, die von den Banken ohnehin nicht unterlegt werden müssen.

Die Konjunktur lahmt freilich nicht, weil kein Geld für Investitionen da ist. Sondern weil Unternehmen für Investitionen ein bestimmtes wirtschaftspolitisches Umfeld benötigen. Eine Investition muss sich ja in einem absehbaren Zeitrahmen rechnen. Ist das nicht halbwegs gewährleistet, dann unterbleibt sie – auch wenn der potenzielle Investor mit Geld zugeschüttet wird.

Und da sind wir jetzt wieder bei der Verantwortung der Regierung: Man kann Strukturreformen nicht immer nur von Griechenland fordern, man muss sie auch selbst einmal angehen. Die Konjunktur wird hierzulande so lange nicht in Fahrt kommen, solange diese teilweise schon seit Jahrzehnten anstehenden Reformen nicht begonnen werden.

Dafür gibt es aber nicht die geringsten Anzeichen. Bei der Steuerreform beispielsweise hört man beinahe täglich von neuen Steuern zur Gegenfinanzierung. Aber wenn die Rede auf Ausgabenreformen kommt, dann heißt es sinngemäß, die würden ohnehin „nichts bringen“, weil sie erst mittelfristig wirken.

Wir können also die derzeitige Regierungspolitik (nicht nur in Österreich übrigens) als eine der Hauptkonjunkturbremsen festmachen. Vielleicht bringt der Absturz vom Budgetpfad das Kabinett endlich dazu, auch darüber einmal nachzudenken.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2015)

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