Im Umgang mit Syriza lautet die Devise: Abwarten und hart bleiben

So wie die Linkspopulisten beim Schuldenschnitt eingeknickt sind, wird es auch bei anderen Themen sein. Das ist gut für Griechenland – und für Europa.

Acht Tage hat es gedauert. Acht Tage nach dem Wahlsieg der griechischen Linkspopulisten von Syriza musste der neue griechische Finanzminister, Gianis Varoufakis, sich das erste Mal geschlagen geben. In einem am Montagabend veröffentlichten Interview erklärte er, dass seine Regierung keinen Schuldenerlass mehr verlangen werde. Damit setzte sich der Rest der Eurozone, der seit fünf Jahren die jährliche Neuverschuldung des griechischen Staates schultert, in einer wichtigen ersten Frage gegen die Populisten durch.

Natürlich versuchen die Griechen, diese Niederlage nicht wie eine Niederlage aussehen zu lassen. So meinte Varoufakis, dass das Wort Schuldenschnitt in Ländern wie Deutschland halt politisch nicht durchsetzbar sei und Griechenland daher Euphemismen akzeptieren werde. Mit dieser Taktik versucht Syriza aber vor allem die eigenen Wähler zu beruhigen. Denn der von ihnen fix verlangte Schuldenerlass ist nun einmal Geschichte.

Dieser Punkt ist deshalb von großer Bedeutung, da er gezeigt hat, dass die Gläubiger im Schuldenstreit auf dem längeren Ast sitzen. Und das trifft auch auf andere Streitthemen wie die Fortführung des Sparprogramms zu. Denn Griechenland braucht schon im ersten Quartal 4,5 und im Sommer noch einmal 6,5 Milliarden Euro. Ohne das Geld droht die Staatspleite.

Um dieses Geld zu erhalten, müssen die Griechen aber eben die Forderung Europas erfüllen, wieder wettbewerbsfähig zu werden und so auf eigenen Beinen stehen zu können. Dazu gab es 2011 zwei Möglichkeiten: den Grexit oder die interne Abwertung – auch Sparprogramm genannt. Griechenland hat sich für Letzteres entschieden, dabei schon viel Schweiß und Tränen vergossen und erste Erfolge verbucht. So erzielt der Staat bereits einen deutlichen Primärüberschuss (also ohne staatliche Zinszahlungen) und konnte seine Leistungsbilanz ins Plus drehen. Daher wäre es auch falsch, jetzt alles über Bord zu werfen und den Euro zu verlassen.

Griechenland muss den steinigen Weg der Anpassung seiner staatlichen Strukturen an die eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit weiter gehen. Denn auch wenn es viele Griechen – aber auch viele andere Europäer – nicht wahrhaben wollen: Der Grund für diese Rosskur ist weder die Troika noch Angela Merkel. Es ist die zehnjährige Party, die Griechenland dank niedriger Zinsen und (zu) harter Währung zwischen Euroeinführung und Zusammenbruch gefeiert hat.


Und von dieser Party haben auch nicht nur „ein paar“ Polit-Klüngel profitiert, wie es die Mainstream-Meinung vielfach behauptet, sondern das ganze Land. So liegen die Realeinkommen in Griechenland noch heute, nach etlichen Lohnkürzungen, um 26 Prozent über jenen von 1999. Im wirtschaftlich stärkeren Italien beträgt das Plus nur 22 Prozent. Und auch von den Gehältern der knapp 800.000 Beamten, die in dem Elf-Millionen-Einwohner-Land 2010 gezählt wurden, dürfte wohl ein Gutteil der Bevölkerung profitiert haben. Zum Vergleich: Im ebenfalls nicht unterbürokratisierten Österreich gibt es gut 200.000 Beamte. Hinzu kamen ein Sozialsystem und eine Infrastruktur nach deutschem Vorbild, für die das Land schlicht nicht leistungsfähig genug war, wie der nicht gerade als neoliberal verschriene Wifo-Chef, Karl Aiginger, einst feststellte.

Dass das Sparprogramm viele soziale Probleme – von horrender Jugendarbeitslosigkeit bis zur erhöhten Suizidrate – mit sich bringt, soll hier nicht verschwiegen werden. Und es ist auch nicht alles Unfug, was von Syriza an der bisherigen Politik kritisiert wird. So muss es bei sinnvollen Investitionen auch für Griechenland die Möglichkeit geben, Schulden zu machen. Und wenn die Linkspopulisten die allgegenwärtige Steuerhinterziehung, die laut Schätzungen gut 15 Milliarden Euro pro Jahr kostet, wirklich zurückdrängen, dann sollen sie dafür auch die Lorbeeren ernten.

In Summe muss aber eines klar sein: Eine Dauersubventionierung einzelner schwacher Regionen – wie sie in Nationalstaaten normal ist –, darf es in der EU nur geben, wenn die Bürger dies demokratisch so bestimmen. Eine Einführung der Transferunion durch die Brüsseler Hintertür könnte die Union zerreißen.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2015)

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