Schöne Worte, leere Hände: Europa lässt die Griechen zappeln

Alexis Tsipras kann pragmatisch vorgehen oder zu einer Art griechischem Chávez mutieren. Dann wären Milliardenhilfen freilich wirklich für den Hugo.

Wie schon aus anderen Eurolandhauptstädten ist der neue griechische Regierungschef, Alexis Tsipras, offenbar auch aus Wien mit leeren Händen abgereist. Es gab, wie gehabt, viele schöne und freundliche Worte, aber nichts wirklich Handfestes zur Lösung des Griechenland-Problems.

Aber die Herren hatten, wie im Vorfeld des Treffens kommuniziert wurde, ja auch noch andere Themen zu besprechen. Tsipras wolle sich das erfolgreiche österreichische Wirtschafts- und Sozialsystem ansehen, hat es geheißen. Da wird ihm sicher vieles (wenn auch – noch – auf anderem Level) bekannt vorgekommen sein. Wie man mit einem stark schuldenfinanzierten Sozialsystem das Budget ins Wanken bringt etwa. Oder wie man sich durch Reformverweigerung langsam, aber konsequent die rote Laterne im Eurozonenwachstumsranking erarbeitet. In diesem Punkt hat die Troika Griechenland allerdings schon auf Vordermann gebracht.

Auch über den Umgang (oder besser: Nichtumgang) mit aus dem Ausland zugespielten Steuersünder-CDs und -Listen wird wohl Einigkeit geherrscht haben. Zumal Faymann und Tsipras als einziges wirklich greifbares Ergebnis des Treffens ja eine Initiative gegen Steuerbetrug auf Europaebene kommuniziert haben.

Das ist verdienstvoll, aber zur Vermeidung des Grexit würde es schon reichen, wenn die Griechen erst einmal selbst im eigenen Land das bisher nicht übertrieben populäre Steuerzahlen durchsetzen könnten. Denn die miese Steuermoral ist im Verein mit der alle Lebensbereiche durchdringenden Korruption jetzt, da erste Reformen greifen und die Wirtschaft wieder zu wachsen beginnt, wohl einer der Haupthürden, die einer Schuldenerleichterung als Basis für einen Neustart entgegenstehen.

Wenn Tsipras aus Wien einen Erkenntnisgewinn mitnimmt, dann wohl die Bestätigung des Eindrucks, dass die Strategie, Deutschland zu isolieren und den Europakt aufzusprengen, voll danebengegangen ist. Weder die österreichischen und französischen Sozialdemokraten, die Tsipras bei seinem Wahlsieg zugejubelt haben, noch die anderen Euro-Problemländer wie Spanien, Italien oder Portugal wollen die hellenische Party einfach so ohne Gegenleistung weiterfinanzieren.

Der Literaturpreisträger Mario Vargas Llosa hat das am Sonntag in einem Kommentar für die linksliberale spanische Tageszeitung „El País“ sehr schön begründet: Griechenland schulde Spanien 26 Milliarden Euro. Und die Spanier (und Portugiesen etc.), die selbst sehr harte Sanierungsmaßnahmen hinter sich haben, seien nicht bereit, mit einem Verzicht darauf schlechte Politik in Griechenland mitzufinanzieren. Es hätten eben nicht alle Euroländer ihren Sinn für die Realität verloren.


Tsipras wird also, wenn er an einer Lösung für sein Land interessiert ist, wesentlich pragmatischer vorgehen müssen, als er das bisher seinen Wählern in Athen kommuniziert hat. Da wird es darum gehen, wie man den notwendigen Schuldenschnitt (ja, auch die ins Spiel gebrachte „immerwährende Anleihe“ ist ein solcher) benennen, unter welchem Namen und in welcher Form die verhasste Troika weitermachen und wie man die ausstehenden Sanierungsmaßnahmen (die jetzt allerdings auch sozial verträglich konstruiert werden müssen) ausgestalten wird, ohne dass einer der Partner vor seinen Wählern das politische Gesicht verliert.

Das klingt wenig revolutionär, eher nach Mauschelei, hat aber keine wirkliche Alternative. Denn auf das sonst unausweichliche Scheitern der Ultralinks-Ultrarechts-Koalition lauert in Athen mit der Goldenen Morgenröte nämlich eine wirklich faschistische Partei mit einem immer beachtlicheren Wählerpotenzial. Und diese Entwicklung kann in Europa wirklich keiner wollen.

Vargas Llosa fürchtet übrigens, dass der Populist Tsipras unter dem Druck der eigenen Wahlversprechungen letztendlich nach dem Muster Venezuelas volkswirtschaftliches Harakiri verüben und zu einer Art griechischem Comandante Chávez mutieren wird. Dann wären allerdings alle bisherigen Griechenland-Hilfen wirklich für den Hugo gewesen.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2015)

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