Eine Steuersenkung allein ist zu wenig

Rock 'n' Roll statt Bohren harter Bretter? Wien sollte nicht Athen werden. Auch wenn sich das einige ideologisch Verblendete derzeit wünschen würden.

Mit einer Rockstar-Attitüde ihrer führenden Vertreter kann die österreichische Bundesregierung leider nicht aufwarten. Hier wird nicht Europa verändert. Und auch nicht die Welt gerettet vor der Unbill des Kapitalismus und seiner Handlanger. Hier wird vielmehr Euro auf Euro gelegt, um den selbst auferlegten Budgetpfad, der immerhin zu einem strukturellen Nulldefizit führen soll, halbwegs einzuhalten.

Und wie es derzeit aussieht, wird es nicht gelingen. Die Einnahmen sind geringer als budgetiert, die Ausgaben zu hoch. Stellt man in Aussicht, dass die Einnahmen am Ende eines Jahres dann doch wieder höher ausfallen werden als prognostiziert, wie schon des Öfteren in der Vergangenheit, bleibt das Problem der hohen Ausgaben dennoch bestehen.

Die Tsipras-Fans unter heimischen Politikern, Wirtschaftsforschern und Medienmenschen werden das ohnehin mit einem Schulterzucken zur Kenntnis nehmen. Denn deren Glaubensbekenntnis lautet: Investieren ist gut, sparen schlecht. Und das Budget passt sich dem schon irgendwie situationselastisch an.

Allerdings war bisher selbst einem Werner Faymann klar: Höhere Schulden bedingen auch höhere Zinszahlungen. Am Ende ist die Politik um ihren Handlungsspielraum gebracht, und die ungeliebten Finanzmärkte übernehmen vollends das Kommando. Man wird sehen, ob diese Einsicht Werner Faymann auch weiterhin begleiten wird, auch wenn Alexis Tsipras ihn nun „einen Freund“ nennt.

Es ist nachgerade abenteuerlich, wie der Pleitestaat Griechenland nun von gar nicht so wenigen österreichischen Linken zum Role-Model für eine neue EU hochgejazzt wird. So, als ob Sozialisten – und dabei handelt es sich bei dem Syriza-Bündnis aus Postkommunisten, Trotzkisten und Maoisten wohl – mehr Verantwortungsbewusstsein und Einsicht in ökonomische Notwendigkeiten hätten als Sozialdemokraten und Konservative (die mit ihrer Klüngelpolitik allerdings sehr wohl Teil des Problems waren).

Griechenland hatte und hat das Problem im Großen, das wir nun in kleinerem Maßstab haben: zu geringe Einnahmen, zu hohe Ausgaben. Die Steuermoral – in Griechenland – war gering, freilich auch bei den Vermögenden, das Förderwesen üppig, der Verwaltungsapparat aufgebläht. Zweiteres – das intransparente Förderwesen, die nicht mehr zeitgemäßen Verwaltungsstrukturen – gilt im Ansatz auch für Österreich. Ersteres eher nicht. Die Österreicher zahlen genug Steuern. Folglich hat sich die Regierung richtigerweise dafür entschieden, eine Steuerreform zu ihrem Prestigeprojekt zu machen. Vorrangiges Ziel: die Entlastung der Arbeitseinkommen.

Die Frage ist dabei: Wer zahlt diese Steuerreform? Die Tsipras-Fans würden sagen: die Reichen. Allerdings haben wir dafür den griechischen Messias der Neuen Linken gar nicht gebraucht. Die meisten Sozialdemokraten waren schon vorher dieser Ansicht. Und mittlerweile scheint sich dieser Gedanke auch in der ÖVP festzusetzen. Nur dass es da dann eben nicht „Reichensteuer“, sondern „Reichensozialversicherungsbeitrag“ heißen könnte.

ÖVP-Seniorenbundobmann Andreas Khol hat dies bei seinem sonntäglichen „Pressestunde“-Auftritt schon einmal angedeutet: Um die Entlastung für Pensionisten unter der Steuergrenze zu finanzieren, könnte man Änderungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen für Besserverdienende vornehmen. Was in letzter Konsequenz eine Anhebung der Höchstbeitragsgrenze bedeuten würde. Der (leistungsbereite) Arbeitnehmer zahlt sich seine Steuersenkung also selbst.

Die Rechnung – aus Sicht des Staates –, dass höhere Löhne die Wirtschaft ankurbeln, was wiederum dem Budget zugutekommt, kann aber nur aufgehen, wenn das Budget auf der anderen Seite nicht wieder ausrinnt. Eine Steuerreform ohne gleichzeitige Reform des Pensionssystems oder des Förder(un-)wesens ist daher weitgehend sinnlos.

Damit Wien nicht eines Tages Athen wird. Auch wenn sich das derzeit einige ideologisch Verblendete wünschen.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2015)

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