Wo Despoten wüten, ist kein Platz für unsere Banken

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Die Ostexpansion unserer Wirtschaft ist ein Stück in drei Akten: Mut, Hybris und Läuterung. Dank Putin droht ein tragisches Finale. War alles ein großer Fehler?

Wenn es nicht so ernst um uns stünde, würde wohl bei manchen Schadenfreude aufkommen. Das selbstgefällige Schulterklopfen unter heimischen Bankiers, das laute Loblied auf die Erfolgsstory der Ostexpansion in Handel und Industrie: Das alles hallt nervig nach. Dabei ist es lang her. Seit der Finanzkrise 2008 werden die rot-weiß-roten Pioniere tüchtig geprügelt: Wachstumseinbruch, Währungskapriolen, Pleiten und Berge fauler Kredite. Österreichs Banken müssen Firmenwerte ihrer Osttöchter massiv wertberichtigen. Dazu kommt nun „die geopolitische Situation“. So verbrämt Karl Sevelda, Chef von Raiffeisen International, den drohenden offenen Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Wenn unsere Großbanken darob ins Straucheln geraten, ist das staatsgefährdend. Nicht einmal eine zweite Hypo könnten wir uns leisten. War der Ritt gen Osten ein Fehler?

Was besonnene Ökonomen errechnet haben, gilt weiter: Der Fall des Eisernen Vorhangs, die EU-Osterweiterung und der Nutzen, den Österreichs Wirtschaft daraus zog, brachte so viel zusätzliches Wachstum und Jobs, dass ein paar Krisenjahre die Bilanz nur trüben, aber nicht ins Minus drehen können. Also lagen die Goldgräber goldrichtig. Aber es lassen sich Phasen von Weisheit und Wahn unterscheiden. In den ersten Jahren waren die Österreicher mutige Pioniere: schnell, schlau und mit einem Sinn für kalkuliertes Risiko. Es war auch gut, vor Ort zu investieren. Gerade Tschechien, die Slowakei und Polen, die als Produzenten in westliche Wertschöpfungsketten eingebunden sind, gedeihen weiter prächtig. Doch der Erfolg verführte zu Allmachtsfantasien. In ihren Planungen gingen viele davon aus, der Boom vor der Haustür würde ewig währen.

Das war naiv. Die Nähe lässt vergessen: Es geht um Schwellenländer. Um volatile, stets von Krisen bedrohte Märkte. Wenn ihre reichen Partner niesen, haben sie Schnupfen – siehe Eurokrise. Die höhere Rendite ist die Prämie für ein Risiko, das früher oder später schlagend wird. Vor allem Banken flohen vor mageren Margen ins Ostgeschäft. Sie vergaben viel zu großzügig Kredite, befeuerten nicht nachhaltiges Wachstum, trieben die private Verschuldung in die Höhe und erzogen ihre Kunden durch Franken-Kredite zu Mini-Spekulanten. Aber Banken wie Exporteure haben dafür gebüßt – und aus Fehlern gelernt. Sie ziehen sich aus einzelnen Märkten zurück, wo sie nicht erfolgreich sind, wie Spar aus Tschechien oder Rewe und nun Raiffeisen aus Polen, und bündeln ihre Kräfte. Und Banken sanieren vorsorglich ihre Bilanzen – vielleicht zu spät, vielleicht nur unter dem Druck europäischer Regulierung. Aber es passiert.


Ein Vorwurf aber bleibt Österreichs angeschlagenen Helden nicht erspart: der fehlende Blick für politische Risken und Chancen. Eine Aufholjagd in Ländern, die in die EU drängen oder schon unter dem Schutz europäischer Werte und Regeln stehen – das war und ist eine einmalige Chance für gute und nicht zu riskante Geschäfte. Vor allem in Polen haben wir sie zu wenig genutzt. Wie wertvoll der EU-Rechtsrahmen ist, zeigt sich in Ungarn: Orbán gebärdet sich als Möchtegern-Autokrat, aber er kann kritische Medien, protestierende Bürger und freie Wahlen nicht verhindern. Putins Russland aber ist das Reich eines Despoten. Die Ukraine ist sein Opfer, was das Land fernhält von jeder europäischen Perspektive. Dort ein solches Exposure zu wagen war fatal. Was hat den Leichtsinn befördert? Wohl auch die tief gebückte Haltung, die offizielle Wirtschaftsvertreter gegenüber autoritären Regimen einnehmen. Ein Handelsdelegierter in Hongkong ärgert sich über Demonstrationen für Demokratie, weil sie die Geschäfte vor Ort empfindlich stören. Wirtschaftskammer-Präsident Leitl wettert gegen Russland-Sanktionen und wirbt um Putins Gunst. Das ist nicht nur moralisch fragwürdig, sondern auf Dauer auch wirtschaftlich unklug.

Handel ist das beste Mittel, um Frieden zu festigen. Aber er kann ihn nicht stiften, wo er fehlt. Es bleibt allein Aufgabe der Politik, das Recht des Stärkeren nicht obsiegen zu lassen. In der EU ist es auf Dauer in Fesseln gelegt. So zeigt die Misere im Osten auch, was wir, trotz allem, an Europa haben. Nicht nur wirtschaftlich. Sondern vor allem politisch.

E-Mails an: karl.gaulhofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2015)

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