Der unheimliche Lauf der Angela Merkel

Die Deutschen zeigen der Welt gerade, wo der Euro-Hammer hängt. Das hat viel mit ihrer – von linken Ökonomen kritisierten – Wirtschaftspolitik zu tun.

So etwas nennt man einen Lauf: Ohne Angela Merkel geht in der Ukraine-Krise und in den griechischen Schuldenwirren gar nichts, Deutschland beherrscht die Europa-Bühne – und jetzt erweist sich auch noch die deutsche Wirtschaft als – wenn auch noch etwas schwerfällige – Lokomotive, die den verfahrenen Euro-Karren aus dem Schlamm zu ziehen beginnt.

Wenn es noch eines Beweises für die wiedergewonnene Leitrolle unseres nördlichen Nachbarlandes bedurft hätte, dann haben diesen der neue griechische Premier, Alexis Tsipras, und sein Finanzminister, Yanis Varoufakis, mit ihrer erstaunlichen Rolle rückwärts geliefert: Noch vor zwei Wochen hatten die neuen Athener Polit-Stars von einer Isolierung Deutschlands in der Frage der Griechenland-Krise geträumt – bis ihnen offenbar auf die harte Tour klargemacht wurde, wo im Augenblick der Euro-Hammer hängt. Jetzt schwärmt Varoufakis nach einem Treffen mit der deutschen Bundeskanzlerin öffentlich von der „mit Abstand scharfsinnigsten Politikerin“ des alten Kontinents.

Irgendetwas müssen die Deutschen in letzter Zeit also besser gemacht haben als die übrigen Europäer. Auch besser als die Österreicher. Jetzt könnte man natürlich kalauern nach dem Schema „Deutschland hat Angela Merkel, wir haben...“, lassen wir das. Aber zumindest wirtschaftlich ist es schon seltsam, dass Deutschland in Richtung Wachstumsspitze stürmt, während das mit dem Nachbarland stark verflochtene Österreich gleichzeitig in Richtung roter Laterne drängt. Dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland deutlich sinkt, in Österreich aber auf immer neue Rekordstände klettert.

Osteuropa ist als Ausrede nicht geeignet. Sicher, Österreich ist in der derzeit mit großen Problemen kämpfenden Region überproportional engagiert. Das hat in der Ostboom-Vergangenheit zu einem kleinen Wachstumsvorsprung geführt und verursacht jetzt in Zeiten der Ost-Flaute (siehe Seite 1) einen kleinen Rückstand. Die Frage, ob österreichische Unternehmen da ein wenig zu forsch expandiert haben, lässt sich ebenso mit Ja beantworten wie die Frage, ob das forcierte „Go east“ der heimischen Unternehmen und Banken richtig war. Unternehmer, die eine Situation wie die Wende in Osteuropa nicht zu nutzen versuchen, hätten diesen Namen nicht verdient. Und: No risk, no fun.

Aber Ukraine- und Russland-Krise treffen auch die deutschen Exporteure. Dass die Wirtschaft dort trotzdem zu brummen beginnt und bei uns nicht, hat offenbar mit strukturellen Unterschieden zu tun. Die Deutschen haben ihr Budget halbwegs in den Griff bekommen, während wir immer weiter neben dem Budgetpfad herumschlingern. Die Deutschen gehören zwar auch nicht zu den Reformweltmeistern, haben aber viele Reformen, die bei uns seit Jahrzehnten auf die lange Bank geschoben werden, schon mit der Schröder'schen Agenda 2010 erledigt (was man an den Unterschieden der beiden Arbeitsmärkte recht deutlich merkt). Und die Deutschen haben es geschafft, ihre Steuerquote unter Kontrolle zu bringen, während unsere offen und versteckt weiter angezogen wird.

Letzteres ist ein ganz wesentlicher Punkt: Die deutsche Konjunktur wird derzeit fast ausschließlich vom privaten Konsum getragen, der wiederum von deutlichen Reallohnerhöhungen profitiert. Bei uns wird nach wie vor alles, was brutto mehr auf dem Lohnzettel steht, von Inflation und Steuern weggefressen. Meist noch einiges mehr.

Vielleicht sollten unsere Wirtschaftspolitiker ein bisschen mehr bei Angela Merkel und Wolfgang Schäuble stibitzen. Und ein bisschen weniger auf die linken Einflüsterer unseres Bundeskanzlers hören. Deren immer wieder vorgebrachte These, dass die deutsche Austeritätspolitik geradewegs in die Wirtschaftskatastrophe führt, wird in der Praxis ja soeben recht eindrucksvoll widerlegt: Dort, wo das Budget in Ordnung gebracht wurde (in Deutschland) oder harte Reformen in diese Richtung unternommen wurden (etwa in Spanien), kommt das Wachstum gerade in Gang. Dort, wo man noch auf die heilende Wirkung von immer mehr Staatsschulden setzt (in Frankreich und Italien etwa), ist der ökonomische Jammer dagegen groß.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2015)

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