Athen will gegen die Wand fahren? Lassen wir es darauf ankommen

Die griechische Regierung markiert – aus innenpolitischen Gründen – den starken Mann. Soll sie. Schlussendlich braucht sie das frische Geld, nicht wir.

Man lasse sich nicht erpressen. Mit dieser etwas eigenwilligen Interpretation der Vorgänge quittierten Vertreter der griechischen Regierung am Dienstag die vorzeitig abgebrochenen Verhandlungen zwischen dem griechischen Finanzminister, Yanis Varoufakis, und den Finanzministern der Euro-Partnerländer. Grund dafür, dass das Treffen schon nach drei Stunden ergebnislos beendet wurde, war ja, dass Varoufakis keinen Millimeter von der radikalen Linie der linkspopulistischen Syriza abweichen wollte: Ja zu neuem Geld. Nein zu den im Gegenzug verlangten Auflagen der Geldgeber.

Viel des griechischen Verhaltens dürfte inszenierter Theaterdonner sein, der vor allem auf die griechische Innenpolitik gerichtet ist. So war es kein Zufall, dass just das griechische Staatsfernsehen bereits über das Scheitern der Verhandlungen berichtete, während die Minister noch tagten. Und zu einem Teil ist das auch nachvollziehbar: Syriza reitet im Heimatland auf einer nationalen Schulterschluss-Popularitätswelle. So viel Unterstützung zu Hause kann in der Fremde schnell zu einer falschen Wahrnehmung und zu Übermut führen. Vor allem, wenn man weiß, wie schnell sich Sympathie in Hass wandeln kann, sollten die Versprechen nicht gehalten werden können.


Aber es dürfte nicht nur innenpolitische PR sein, die Varoufakis und seine Regierungskollegen dazu bewegt, sich in ihrer Fundamentalposition einzuigeln. Hinzu kommt einerseits echte ideologische Verblendung, wonach es Griechenland einfach zustehe, Geld ohne Gegenforderung zu erhalten. Begründet wird das schlicht mit den sozialen Problemen in dem Land. Andererseits dürfte vor allem Varoufakis – der als begnadeter Spieltheoretiker gilt – das Ganze auch aus taktischen Gründen machen.

Denn mit seinem Verhalten sorgt er zu einem Zeitpunkt bereits für großen Stress, zu dem dieser eigentlich noch nicht notwendig wäre. Die anderen Euroländer haben Griechenland nun bis Freitag das Ultimatum gestellt, eine Verlängerung des Hilfsprogramms zu beantragen und die Sparauflagen zu akzeptieren. Dies, obwohl das bestehende Programm noch bis Ende Februar läuft und die nächste größere Rückzahlung Griechenlands – ab der es ernst wird – erst Ende März ansteht.

Lässt Griechenland nun das Ultimatum ungenutzt verstreichen, könnte auch in den Gläubigerländern der Druck auf die Politik größer werden, Griechenland doch entgegenzukommen, um den „großen Knall“ zu verhindern. Nicht zuletzt, da sich auch im Norden immer mehr Menschen mit dem Denkfehler anfreunden, wonach Sparen und Strukturreformen bei hoch verschuldeten Ländern das Falsche wäre.


Doch ein Nachgeben wäre das Schlechteste, was die Euro-Partnerländer Griechenlands machen könnten. Inhaltlich, weil Portugal erst in der Vorwoche gezeigt hat, dass die verlangten Maßnahmen langfristig eben doch das Richtige sind. So bekundete Lissabon den Wunsch, gewährte Kredite vorzeitig zurückzuzahlen, weil die von der Troika geforderten Reformen Wirkung zeigen.

Jetzt nachzugeben wäre aber auch taktisch ein großer Fehler. Am Ende des Tages heißt es für die Griechen nämlich, sich zwischen den Sparauflagen der Gläubiger und dem Staatsbankrott zu entscheiden. Und auch wenn Letzterer die anderen Eurostaaten ebenfalls Milliarden kostete, wären die Auswirkungen überschaubar. Vor allem die Ansteckungsgefahr für die anderen (Ex-)Krisenländer ist – anders als im Jahr 2012 – inzwischen weitgehend gebannt. Die Anleihenrenditen von Portugal, Spanien oder Italien blieben trotz der jüngsten Turbulenzen weit im grünen Bereich.

Anders die Situation für Griechenland selbst. Hier würde eine Staatspleite die sozialen Probleme weiter verschärfen und die Wirtschaft erneut zurückwerfen. Es ist also ziemlich sicher, dass Varoufakis und seine Parteifreunde vor der Macht des Faktischen kapitulieren und nachgeben werden. Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass die Linkspopulisten lieber alles gegen die Wand fahren. Wir sollten es darauf ankommen lassen.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2015)

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