Danke, Wolfgang Schäuble!

Es geht nicht um das Charisma merkwürdiger griechischer Politiker. Nicht um Verständnis für sie. Es geht um den Euro und die EU. Zum Glück weiß das zumindest einer.

Werner Faymann entflieht den Niederungen seiner Regierung und Partei allzu gern. Während sich seine Pressesprecher und Parteisekretäre mit den Bonmots des Wiener Bürgermeisters zur Steuerreform herumschlagen mussten, genoss der Kanzler Martin Schulz' Nähe. Verständlich, der Präsident des EU-Parlaments hat das, was so wenige in der regionalen Regierung Faymann schenken können: die Kombination aus rhetorischer Brillanz, scharfsinnigem Intellekt und einem untrüglichen politischen Gespür für Veränderung. Und die wurde in dieser Woche mehr als deutlich.

Zwar sprach zumindest Schulz an der Seite des aufmerksam nickenden Faymann von einer politisch merkwürdigen Regierung in Athen, die – auf Deutschland übertragen – wie eine Koalition aus Die Linke und der AfD sei, aber man müsse ihr eben Zeit geben. Verständnis war das Lieblingswort Faymanns neben dem nicht ganz so aufmerksam nickenden Schulz: Verständnis müsse man für die Griechen haben. Griechen-Versteher unter sich.

Verständnis, Sympathie, ja fast freundschaftlichen Neid auf den enthemmten Stil der neuen Regierung teilen viele sozialdemokratisch geführte Staatskanzleien. Der Hintergrund dürfte weniger in der Begeisterung für das Testosteron von Yanis Varoufakis und in der viel beschworenen Solidarität mit den ökonomisch hart getroffenen Griechen zu suchen sein, sondern ist ein einfaches Motiv: Es geht um den Euro. Und es geht um die jeweils nächste Wahl, die mit Sparmaßnahmen und ohne teure Geschenke nicht so leicht zu gewinnen ist.

Wolfgang Schäuble und eine harte Truppe (Holland, die Finnen, versprengte Osteuropäer, Österreichs Hans Jörg Schelling, natürlich die leidgeprüften Sanierer in Portugal und Spanien) wollen das garantieren, was einige von ihnen (beziehungsweise ihre Vorgänger) ihren Wählern versprochen haben: Verschwindet die eigene Währung, also etwa D-Mark, Gulden oder Schilling, bleibt der Euro hart. Dank Währungskrise, taumelnder Volkswirtschaften und der Milliarden-Bazooka zur Wirtschaftsstimulierung stimmt das ohnehin nicht wirklich, aber es gibt sie zumindest noch in Restbeständen – die Regeln, die Maastricht-Kriterien und den Pfad des Defizitabbaus. Genau dies wollen die Herren Renzi und Hollande aufweichen, dafür kommt die Verstärkung der Finanz-Clowns aus Athen gerade recht.

Zum Glück hält einer dagegen: Schäuble hat klar und deutlich Nein gesagt und en passant noch ein geniales Zitat geliefert, das in Erinnerung bleiben dürfte: „Regieren ist ein Rendezvous mit der Realität.“ Die Realität verstärkt sich mit der Betroffenheit, Finanzminister bleiben härter als Parlaments- und Kanzlerpräsidenten in Plauderlaune. Das nächste Rendezvous ist am Montag, wenn Athen konkrete Strukturmaßnahmen vorlegen muss (was ist etwa mit dem hohen Verteidigungsetat?). Steht in dem Papier nichts Substanzielles, geht das Spiel weiter. Dann war der Kompromiss am Freitag nur ein Erfolg, weil er kein Misserfolg war.

An welches Zitat werden wir uns erinnern, wenn wir uns künftig an den Staatsmann Werner Faymann erinnern werden? Äh.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2015)

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