Werner Faymann muss Michael Häupl länger fürchten

Neuigkeiten aus Wien: Der Stadtchef lässt sich Zeit. Häupl soll die nächsten Monate nutzen und sagen, wofür die SPÖ steht. Für Faymann? Für Rot-Grün?

Mutter aller Schlachten nannten die lokalen SPÖ- und FPÖ-Chefs von der eigenen Bedeutung übermannt einst den Urnengang und ihr ausgerufenes Duell um Wien. Angesichts der Spitzenkandidaten ist man geneigt, von der Großmutter aller Schlachten zu schreiben. Zu müde, zu selbstgefällig, zu ängstlich wirken die Kandidaten je nach Couleur und Ausgangslage.

Michael Häupl hat nun das aufgelöst, was er einen Schmäh genannt hat, der nicht verstanden wurde: Er kenne den Wahltermin, sage ihn aber nicht. Wien wählt also am 11.Oktober. Wer Häupl kennt, weiß, dass seine Schmähs schon besser waren.

Dass er die volle Legislaturperiode auskostet, ist überraschend, folgt aber einer Logik: Viel schlechter kann die Großwetterlage für die SPÖ nicht werden, für alle anderen schon. Derzeit hält er in den internen Umfragen bei einem bescheidenen – gemessen an der Bedeutung der SPÖ in der Geschichte von Stadt und Restsozialdemokratie – Wert zwischen 36 und 38 Prozent. Auf diesem traurigen Wert lag Häupl bei seiner ersten Wahl 1996 mit 39,1 Prozent. Dazwischen lag ein Höhenflug mit absoluter Mandatsmehrheit, Alles-geht-Politik und einer Wohlstandsentwicklung Wiens, die unter anderem EU-Osterweiterung und konsequentem städtischen Deficit Spending zu verdanken war. Häupl kämpft nicht nur für die Vormachtstellung der SPÖ, er kämpft um sein historisches Erbe in den Annalen des viel zitierten Roten Wien.


Sein Spiel auf Zeit geschieht weniger aus Vertrauen auf die eigene Stärke. Ja, die Wiener SPÖ kann noch mobilisieren. Nein, junge Städter lassen sich von den Emissären der einst stolzen Sektionen nicht mehr wie früher überzeugen. Häupl hofft auf Rückenwind, oder besser: auf das Ende des Gegenwinds. Eine kleine Steuerreform, ein kleiner Wirtschaftsaufschwung und ein kleiner Wechsel an der SPÖ-Spitze und im Kanzleramt könnten ihm mehr als die Agonie helfen, die Werner Faymann unter Funktionären und Wählern verbreitet. Wobei die Wahrscheinlichkeit dieser drei Faktoren mit der Reihenfolge abnimmt. Für den Oktober gibt es weitere Gründe: Häupl wählt aus Gewohnheit im Oktober. In den Song-Contest-Wochen könnten Verkehrsstaus durch die Gäste ebenso für Grant der Bürger sorgen wie allzu viel Selbstdarstellung des multikulturellen, grünen Wien im Zuge des Vielfaltwettsingens. Da sollen die Wähler doch in die Ferien fahren, nach Hause kommen und sich an der für die Wahl frisch geputzten Stadt erfreuen.

Häupl hofft auf einen alten Verbündeten: die Schwäche der Mitbewerber. In der städtischen VP hat sie seit Langem Tradition. In der Bundespartei müssten rein statistisch gesehen die Popularitätswerte Reinhold Mitterlehners wieder fallen. Und: Jeden Monat steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Geheimwaffe der Wiener ÖVP, Außenminister Sebastian Kurz, stumpfer wird. Dafür soll wohl dosiertes Dirty Campaigning der SPÖ-Zentrale und befreundeter Ministerien sorgen. Die Neos, dank (wieder verdrängter) Privatisierungsfantasien Lieblingsgegner der SPÖ Wien, haben es schwerer als angenommen: Einen langen Wahlkampf müssen sie personell und thematisch erst einmal durchhalten. Die zu erwartenden vernichtenden Ergebnisse im Burgenland und in Oberösterreich könnten einen bloßen Einzug der politischen Lifestyle-Formation in Wiens Landtag zum Erfolg machen. Das Team Stronach existiert nur noch im Parlamentsprotokoll.

Die Grünen platzen vor Selbstbewusstsein, lagen aber noch bei jeder Wahl unter den Umfragen und haben beschwerliche Monate vor sich. Sie werden von der SPÖ weder Erfolge noch Leuchtturmprojekte geschenkt bekommen, sondern müssen um jeden Stadtratstermin betteln. Und die FPÖ? Das Klischee, wonach die Protestpartei nichts tun müsse, um zu gewinnen, hat einen wahren Kern. Aber frisch und motiviert wirkt Heinz-Christian Strache wirklich nicht.

Ein frommer Wunsch für Wien: Vielleicht wird Michael Häupl am späten Abend kurz fleißig und sagt uns, wofür er wirklich steht. Für oder gegen Werner Faymann? Für oder gegen einen neuen SPÖ-Chef? Und wenn, für welchen? Und: Will er weiter einen kommunalpolitischen Linkskurs? Vielleicht sagt er gar die Wahrheit: 2016 wird in Wien wie selten bis nie zuvor gespart werden.

Gut, diese Gefahr plötzlicher Ehrlichkeit ist überschaubar.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2015)

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