Die SPÖ führt ihr neuer Weg tief zurück in die Vergangenheit

Statt mehr Markt und mehr Anreize für Private sogar noch mehr Stadt: Wiens Bürgermeister Häupls seltsame Gemeindebau-Renaissance.

Alle, die der Sozialdemokratie nahe oder weiter links von ihr stehen, haben recht. Mieter werden von Eigentümern bis zum Geht-nicht-mehr ausgepresst. Gewinnmaximierung steht im Vordergrund. Zumindest an einem speziellen Hausherrn hat das der Rechnungshof in einem wenig beachteten Bericht festgestellt.

Aufwertungen und Pauschalierungen seien zum Nachteil der Mieter vorgenommen worden, wird da vermerkt. Die finanzielle Situation des Bauträgers sei stärker als jene der Mieter berücksichtigt worden. Daher habe ein „Zielkonflikt zwischen der Bereitstellung von preisgünstigem Wohnraum und einer die Rücklagen erhöhenden Gewinnmaximierung bestanden“, schreiben die Prüfer gewunden, aber dennoch nichts an Klarheit zu wünschen übrig lassend. Und fügen einen Wunsch an: Künftig möge doch der ersteren Zielsetzung, dem Bereitstellen preisgünstiger Wohnungen also, der Vorrang gegeben werden.

Pech auch, dass diese Kritik ausgerechnet einen Wohnbauträger trifft, der sich mit dem Attribut sozial schmückt. Noch größeres Pech, dass der kritisierte Bauträger auf den Namen Gesiba hört. Genau, wir sprechen von jenem Unternehmen, das unter dem dunkelroten Dach der Wien Holding im Eigentum der Stadt steht. Eigentümervertreter ist Bürgermeister Michael Häupl. Derselbe, der am Donnerstag bei der Klubklausur seiner Wiener SPÖ nach elfjähriger Absenz der Stadt als Bauherr die Wiederaufnahme der Errichtung von Gemeindewohnungen angekündigt hat.

Das Vorhaben an sich ist schon Chuzpe. Die noch größere Chuzpe: Einen Tag nachdem der Rechnungshof die Gesiba wegen des Vorrangs von Gewinnmaximierung durch Sonne, Mond und Sterne geschossen hat, präsentiert Häupl eine „Gemeindewohnungserrichtungsgesellschaft“. Nur Amateure konnten glauben, das Firmen-, Beteiligungs- und Einflusskonglomerat der Stadt sei schon unübersichtlich genug. Jetzt schließt sich der Kreis: Mit dabei in der Gesellschaft sind „gute Freunde“, wie es Häupl sagte. Konkret: die Gesiba...

Wie groß muss die Verzweiflung in der SPÖ sein, um die Stadt Wien wieder zum Errichter von Wohnungen zu machen? Dabei hat der zuständige Stadtrat Michael Ludwig einmal gewarnt: „Mit den Wohnbauförderungsmitteln können wir mehr Wohnungen mit gemeinnützigen Bauträgern errichten, als wenn wir als Stadt selbst bauen. Außerdem gibt es Vergabegesetze und Richtlinien, die das Bauen für die öffentliche Hand automatisch teurer machen würden.“ Archive sind gnadenlos. Selbst Michael Häupl hat noch bis vor gar nicht so langer Zeit gemeint, wenn Gemeindewohnungen errichtet werden, könnte die Wohnbauleistung sinken. Diese ist in Wien im nationalen Vergleich bereits heute extrem bescheiden. 4,7 Wohnungen pro 1000 Einwohner wurden 2013 fertiggestellt, dokumentiert die von Rathaus-PR unbeeindruckte Statistik Austria: Platz neun in der Liste der Bundesländer. Spitzenreiter Tirol bringt es auf 8,3 Wohnungen. Kein Ausweis gelungener Wohnbaupolitik der Wiener.


Die SPÖ hat zwischen Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und Abrutschen im Standortwettbewerb offenbar die Orientierung verloren. Und schlägt bei ihrer erfolglosen Suche nach so etwas wie einem dritten Weg den Weg zurück ein. Nur weil ein Vorschlag (auch) aus der inhaltlich schmalen Wiener ÖVP kommt, muss er nicht schlecht sein: Statt Mietern endlich die Möglichkeit anzubieten – natürlich nicht, sie zu zwingen –, ihre Gemeindewohnungen zu erwerben, will die Stadt ihr Imperium als Hausherrin weiter vergrößern. Ein in allen anderen halbwegs entwickelten Demokratien schwer denkbarer Vorgang. Schon jetzt genießt Wien den zweifelhaften Ruhm, Europas größte Hausherrin zu sein. Statt die Stadt zu verschlanken, werden neue Einheiten geschaffen, mit allem, was dazugehört, vielen Posten und noch mehr Einflussmöglichkeiten.

Tools aus der Vergangenheit und aus der Vorvergangenheit im Morgen und Übermorgen anzuwenden kann gefährlich enden. Dass es von allem anderen als Fantasie zeugt, ist evident. Wir erleben also in Wien derzeit eine SPÖ, die den Rückwärtsgang eingelegt hat. Erfolgreiches Gestalten der Zukunft sieht anders aus.

E-Mails an: dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2015)

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