Und Österreich schaut wieder einmal kurz weg

Tote Politiker, die in internationale Rechtsstreitigkeiten verwickelt waren, gehören fast zur Tradition. Die Aufklärung entscheidet über den Ruf der Justiz.

Nur weil Liebhaber der Verschwörungstheorie gerade aus ihren gut sichtbaren Löchern kriechen und krakeelen, heißt das noch lang nicht, dass der Suizid des Ex-Botschafters von Kasachstan, Rachat Alijew, wirklich einer war. Bisher gibt es weder Ermittlungsergebnisse noch wirklich klare Aussagen der damit beauftragten Beamten. Aber: Es spricht viel, sehr viel dafür, dass diese Ermittlungen sehr penibel und präzise geführt werden müssen.

Denn was an Hinweisen und Details durchsickert, ist mehr als irritierend für den sonst so zufriedenen Rechtsstaat: In einer ersten Reaktion diagnostizieren die Behörden den „Selbstmord“ eines prominenten Häftlings, der sich gerade noch für einen Auftritt vor Gericht vorbereitet hat, bei dem er offenbar bezeugen wollte, dass er von Mithäftlingen bedroht worden sei, mit Mord, der als Selbstmord getarnt würde. Noch vor wenigen Monaten war der Botschafter von Scharfschützen bewacht worden; er war in seinem Heimatland zweier Morde beschuldigt worden, die er jedoch bestritten und sich vielmehr selbst als politisch Verfolgter dargestellt hatte.

In der Justizanstalt indes war er offenbar nur ein Häftling wie andere. Von besonderer Gefährdung zeugte der Status „grün“ für den Untersuchungshäftling nicht. Auch die Reste eines Beruhigungsmittels, die im Blut des toten Botschafters gefunden wurden, müssen einen Selbstmord mittels Erhängens nicht eindeutiger machen. Aber – und dieses Aber ist entscheidend: Sie beweisen auch nicht das Gegenteil. Dennoch wäre Justizminister Brandstetter gut beraten, diesen Fall mit Transparenz aufzuarbeiten und nicht unter Kontrolle einer einzigen Behörde zu stellen. Die Einberufung einer Expertenkommission ist begrüßenswert.

Denn eines macht eine klare Beurteilung dieses Falls – nicht erst seit dem möglichen Suizid – so schwierig: Zu viele klingende Namen haben eine geschäftliche Beziehung zu Rachat Alijew gehabt. Das Schicksal des Botschafters beweist einmal mehr die Überschaubarkeit Österreichs. Der Justizminister selbst war einst – ganz unironisch: vermutlich durchaus ehrenvoll – sein Anwalt. Zuletzt kämpften Manfred und Klaus Ainedter sowie Stefan Prochaska für den Mandaten, Ersterer auch mit Verbindungen auf dem medialen Parkett, Letzterer sogar vor Gericht mittels Klage gegen den Anwalt der Gegenseite: Gabriel Lansky, Anwalt, Lobbyist und Ex-SPÖ-Politiker, verwendete viel Zeit, noch mehr Kontakte und Ressourcen, um Schuld und/oder Auslieferung Alijews nach Kasachstan zu erreichen. Dieser mischte wiederum mit viel Geld bei Immobiliengeschäften im Umfeld der Stadt Wien mit. Eine Armada aus Ex-(SPÖ)-Politikern und PR-Spezialisten – manchmal sind sie auch beides – verdiente für beide Seiten viel, aber nicht sehr gutes Geld. Kaum ein Journalist in diesem Land, der nicht mit echtem (und manchmal gefälschtem) Material beliefert wurde, um die Gegenseite zu diskreditieren.


Sehr bezeichnend sind zwei Schreiben, die Lansky 2011 an OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss mailen ließ und der „Presse“ vorliegen: „Eine weitere Brüskierung der Republik Kasachstan durch quasi demonstrative Untätigkeit der österreichischen Justizbehörden wäre sowohl international als auch von kasachischer Seite nicht nachvollziehbar und auch rechtsstaatlich mehr als problematisch.“ Kasachstan ist Öllieferant für die OMV, diese ist auch über ihre Tochter Petrom dort engagiert. Und dann die unverhohlene Drohung: Das wirtschaftliche Potenzial Kasachstans sei von besonderem Interesse für die österreichische Wirtschaft. Und: Kasachstan sei „auf Österreich definitiv nicht angewiesen“.

Kein Wunder also, dass Peter Pilz namens der Opposition genüsslich die Einsetzung eines U-Ausschusses fordert. Nach mehreren ähnlichen Fällen – ein libyscher Ex-Minister wurde vor nicht langer Zeit tot in der Donau gefunden – geht es um Österreichs Ruf: Werden Personen, die in internationalen Rechtsstreits verfolgt werden, beschützt oder nicht? Wird die Aufklärung – begleitet von einer unabhängigen Kommission – ernsthaft betrieben oder nur zwecks Schubladisierung? Die kommenden Tage werden das zeigen: Und dann reden wir über die politische Verantwortung.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2015)

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