Föderalismus heißt nicht, dass einer zahlt und der andere prasst

Der Hypo-Skandal und die Vorgänge um die Lehrerzuständigkeit böten dringenden Anlass, die Bund-Länder-Beziehung zu reparieren. Es eilt!

Vor wenigen Tagen hat die EU-Kommission im „Länderbericht Österreich 2015“ ziemlich harsche Kritik am alpenländischen Finanzföderalismus geübt: Nirgendwo sonst in der EU seien die eigenen Steuereinnahmen der Länder so niedrig. Dadurch liefen Einnahmen- und Ausgabenverantwortung auseinander. Soll heißen: Der Bund zahlt, die Länder geben aus. Diese Form der Aufgabenteilung, die nirgendwo auf der Welt funktioniert, ist im Übrigen auch dem Rechnungshof seit Längerem ein Dorn im Auge.

Dieser verlangt deshalb eine Zusammenlegung der Einnahmen- und Ausgabenverantwortung. Im EU-Bericht heißt es dazu vornehm, die derzeitige Form des Finanzföderalismus führe zu beträchtlichen „Effizienzverlusten“. Unter anderem im Bildungswesen.

Und wie reagiert die Regierung auf solch fundierte Expertenschelte? Erwartungsgemäß: Sie knickt vor den Landeschefs ein und will diesen auch noch die Verantwortung für die Bundeslehrer übertragen. Außer natürlich die finanzielle, denn bezahlen, ohne mitzureden, darf der Bund ja weiter. Dass so etwas nicht zu Einsparungen führt, wie die Herren Pröll, Platter und Niessl behaupten, sondern zu beträchtlichen Verteuerungen, haben sie bei den Landeslehrern ja schon bewiesen. Das stört aber offenbar keinen. Und als Höhepunkt der Chuzpe nennen die Herrschaften das wohl auch noch Verwaltungsreform.

Da fehlen einem wirklich die Worte. Eine bessere Bestätigung für die hier vor Kurzem aufgestellte These, dass dieses Land in der herrschenden Konstellation nicht reformierbar ist und der notwendige Umbau irgendwann wohl von außen mittels einer Troika erledigt werden müssen wird, kann es ja gar nicht geben. Bis dahin könnten wir vielleicht gleich die Bundesregierung einsparen und durch die Landeshauptleutekonferenz ersetzen. Denn ein Regierungsgremium ohne reale Gestaltungsmacht, das nicht regiert, sondern nur auf Länderzurufe reagiert, braucht ja niemand.

Darf man jetzt, da ja die Hypo-Milliardensause erneut hochkocht, kurz daran erinnern, was uns die viel gepriesene Finanzautonomie ohne Verantwortung für die Deckung der eigenen Ausgaben in den vergangenen Jahren so alles an teuren Dingen beschert hat? Eine kleine Auswahl: Hypo-Pleite, Bank Burgenland, Franken-Spekulationen in Wien und Niederösterreich, Wohnbaugeld-„Veranlagung“ in Niederösterreich, Salzburger Spekulationsskandal. Überzogene Milliardenhaftungen für die Hypo Alpe Adria, aber auch beispielsweise für die Tiroler und die Vorarlberger Landesbank.

Reicht das fürs Erste? Bei den Landeshaftungen hat uns ja glücklicherweise die EU mit dem ab 2007 geltenden Haftungsverbot für Landesbanken vor Schlimmerem bewahrt. Aber wer rettet uns vor dem restlichen Gefahrenpotenzial dieser Form von Finanzautonomie?


Das hat in den vergangenen Jahren ja eher noch zugenommen. Denn sieben von neun Ländern refinanzieren sich nicht mehr auf dem Kapitalmarkt, sondern über die Bundesfinanzierungsagentur. Das ist sehr praktisch: Man muss sich nicht mehr um Ratings scheren, da man billiges Geld, das der Bund sich ausleiht, weitergereicht bekommt. Schön für die Länder, schlecht für den Bund, der aus diesem Titel schon mehr als acht Mrd. Euro an Forderungen gegen die Länder aufgebaut hat. Das mag praktisch für die Länderfinanzierung sein, liefert aber das völlig falsche systemische Signal: Man kann fuhrwerken, wie man will, Papa Bund wird's schon richten.

Eine echte Bundesregierung würde angesichts solcher Zustände auf den Expertenrat hören und dringend die Finanz- und Kompetenzverflechtungen im Rahmen einer echten Bundesstaatsreform entwirren. Das könnte in eine echte Finanzautonomie (einschließlich Steuerhoheit) der Länder münden (wenngleich das in einem Zwergerlstaat ein bisschen seltsam wäre). Oder in eine deutliche Stärkung der Position des Bundes.

Was jetzt geschieht, nämlich neun Landeskaisern einfach so das flotte Landesleben zu finanzieren, ohne bei Fehlentwicklungen einschreiten zu können – das ist mit Sicherheit der falsche Weg.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2015)

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