Wichtiger als die Steuerreform ist ein Ende der Steuerdiskussion

Jetzt bleibt die Hoffnung, dass die Regierung sich zwingt, Einsparungen in der Verwaltung und bei Förderungen anzugehen. Neue Steuerdebatten sind Gift.

Wir können noch viel darüber streiten, ob die am vergangenen Freitag präsentierte Steuerreform gut oder schlecht ist, beziehungsweise ob sie den Namen Reform überhaupt verdient. Schlimmer als eine noch so missglückte Steuerreform ist eine endlose Steuerdebatte. Sie schadet nämlich dem Wirtschaftsstandort mehr als ein unsinnig auf 55Prozent angehobener Spitzensteuersatz. Denn mit politischen Fehlentscheidungen können Unternehmer und Investoren mittlerweile ganz gut umgehen. Darin sind sie schließlich geübt. Was ein Wirtschaftsstandort überhaupt nicht brauchen kann, sind Unsicherheit und instabile Verhältnisse. Prompt haben Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner gestern bereits die ersten Nachbesserungen angekündigt.

Wirtschaft funktioniert am besten, wenn es Planungssicherheit gibt. Und diese sollte nun nach der monatelangen Diskussion auch endlich wieder herrschen. Experten sprechen immer wieder von der unsicheren Zukunft, wenn sie Gründe für den konjunkturellen Stillstand in diesem Land anführen. Diese Verunsicherung in der Bevölkerung hängt nicht nur mit den Problemen einiger EU-Länder oder der Krise in Osteuropa zusammen, sondern vor allem mit der österreichischen Innenpolitik. Wer nicht weiß, ob hierzulande neue Steuern eingeführt werden, der wartet ab. Deshalb dümpelt das heimische Wirtschaftswachstum derzeit weit unter der Ein-Prozent-Marke herum, während im benachbarten Deutschland Wirtschaftsforscher sich bereits darüber die Köpfe zerbrechen, ob beim Wachstum heuer ein Zweier vor dem Komma stehen wird oder nicht.

Das werden die Koalitionspartner sich hoffentlich vor Augen führen, wenn sie morgen ihre Regierungssitzung abhalten. Hoffentlich. Denn als geübter Österreicher hat man leider nur allzu oft miterlebt, dass mit der Präsentation einer Reform die eigentliche Diskussion darüber erst richtig beginnt. Ganz nach dem Motto „Ein bisschen was geht immer“.

Sollten diese Befürchtungen tatsächlich eintreten, hat sich das die Regierung in hohem Maß selbst eingebrockt. Zu viele Punkte wurden nicht eindeutig ausverhandelt. Etwa die fünfjährige Befristung des Spitzensteuersatzes samt der damit verbundenen Erhöhung der Kapitalertragsteuer auf Dividenden und Wertpapiergewinne. Heißt „befristet“, dass diese Regelung in fünf Jahren automatisch ausläuft? Oder heißt „befristet“, dass darüber in fünf Jahren wieder diskutiert wird?

Tritt letzterer Fall ein, können wir das Wort „befristet“ leider getrost streichen, dann wird der Spitzensteuersatz von 55 Prozent bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag in den internationalen Statistiken als Mahnung für ausländische Investoren und Spitzenmanager ausgewiesen werden.

Zu allem Überfluss beinhaltet das Steuerpaket einige Kapitel, die ohne Zustimmung einer Oppositionspartei gar nicht umzusetzen sind. Auch dieser Umstand lässt befürchten, dass die Steuerdiskussion noch lang nicht ausgestanden ist.


Als Kanzler und Vizekanzler in der gestrigen ORF-„Pressestunde“ wie das unzertrennliche Trachtenpärchen vor den Kameras saßen, konnten sie einen ganz wichtigen Satz leider nicht aussprechen. Dieser hätte ungefähr so lauten müssen: „Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Wir versprechen hier und jetzt hoch und heilig, dass es in den kommenden zehn Jahren keine weitere Steuererhöhung geben wird.“ Punkt.

Damit hätten wir nämlich die Gewissheit, dass diese Regierung weiß, dass sie in Zukunft mit weniger Steuereinnahmen auskommen muss und dieses Problem nur in den Griff bekommt, wenn sie die Ausgaben senkt. Wenn sie wirklich in der Verwaltung spart, wenn sie wirklich Förderungen durchforstet, wenn wirklich endlich klare Verhältnisse zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geschaffen werden, wenn die Regierung sich wirklich von der gefühlten All- und Ohnmacht der Sozialpartner emanzipiert. Dann, und nur dann hätte diese Steuerreform tatsächlich einen Sinn gehabt.

E-Mails an: gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2015)

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