Ein guter Reformplan mit ein paar Fehlern

Die Novelle des Strafgesetzbuchs verwirklicht viel, über das lang nur geredet wurde. Einige Tatbestände und Ideen muss man aber noch überdenken.

Die Reform des Strafgesetzbuchs bietet Überraschungen: etwa, dass ein neuer Tatbestand im Sexualstrafrecht so gefasst ist, dass selbst Umarmungen darunter fallen könnten (Bericht Seite1). Darin zeigt sich eine Unart, die im Recht leider immer moderner wird: Gesetze werden von der Politik so unkonkret geschrieben, dass die Auslegung möglichst auf die Gerichte abgeschoben wird. Gerade im Strafrecht (es geht um Haft oder Freiheit) darf das nicht sein: Tatbestände müssen möglichst genau aussagen, was erlaubt ist und was nicht.

Dieser Einwand darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Reform des Strafgesetzbuchs an sich eine gute ist. Lang ist darüber geredet worden, dass Körperverletzungsdelikte zu mild, Vermögensstraftaten zu streng geahndet werden. Nun wird in diesem Sinn gehandelt. Auch Dinge, die in der Praxis anders ausgelegt wurden als wohl ursprünglich gedacht, werden endlich berichtigt. Bisher konnte ein Ladendieb schon beim ersten Vergehen in Untersuchungshaft landen – wegen Gewerbsmäßigkeit. Diese konnte bereits bei der ersten Untat vorliegen, wenn man nur davon ausging, dass der Täter auch in Hinkunft stehlen wird. Die neue Regelung (man muss in den zwölf Monaten vor der Tat zumindest schon zwei solche Delikte begangen haben) erscheint da klüger.

Auch beim Landfriedensbruch, der zuletzt wegen einer zu weiten Auslegung angeprangert wurde, wird nachgebessert. Auch hier geht es richtigerweise darum, dass Demonstranten nicht von Gewalttätern in Sippenhaft genommen werden sollen. Doch muss man darauf achten, dass die neue Bestimmung nicht zu sehr die Strafbarkeit einschränkt. Selbst leichte Körperverletzungen oder gar schwere Sachbeschädigungen, die von einer wild gewordenen Masse gewünscht und initiiert wurden, sollen nach der Novelle nicht mehr zu einer Verurteilung nach dem Paragrafen führen. Es muss aber unbedingt klargestellt bleiben, dass jeder eine Versammlung, die in Gewalt ausartet, sofort zu verlassen hat.

Dass es nötig war, das Gesetz an sich zu modernisieren, steht außer Streit. Eher skurrile Paragrafen („Werbung für Unzucht mit Tieren“) entfallen, neue Phänomene wie Cyber-Mobbing werden durch die Novelle explizit abgefangen. Viel mehr als eine gute Überarbeitung ist die Novelle aber dann auch nicht. Eine wirkliche Neugestaltung oder einen großen Wurf wird man darin vergeblich suchen.

So wie auch Wolfgang Brandstetter sein Amt als Justizminister eher unaufgeregt vollzieht. Wobei er es trotz seiner seriösen Art gut versteht, auf der Populismusgeige zu spielen. So kommt er medienwirksam den Tierfreunden entgegen (die Strafe für Tierquälerei wird verdoppelt), und er verkauft die höheren Strafdrohungen bei Verhetzung als Prävention gegen Hassposter und Gewaltaufrufe. Kann man machen. Zu glauben, dass sich die Täter von höheren Strafdrohungen abhalten lassen, ist aber naiv. Die wichtigste Präventionsmaßnahme bei Straftaten bleibt immer noch die Furcht, wirklich erwischt und belangt zu werden.

Gerade in dem Punkt muss jedoch bekrittelt werden, dass die Reform zu sehr von Sparideen getrieben ist. So wird die Entlastung der Behörden als ein Argument dafür genannt, dass Käufer von Cannabis und Ecstasy nur noch den Gesundheitsbehörden anvertraut werden sollen, solange sie mit diesen kooperieren. Und die Diversion (Zahlung eines Geldbetrages, dafür gibt es keinen Prozess und keine Vorstrafe) soll es künftig selbst für einige Delikte geben, die sonst vor Geschworenen verhandelt werden müssten: etwa räuberischen Diebstahl. Zwischen einem vom Staatsanwalt im jeweiligen Einzelfall angebotenen Freikauf und einem Prozess vor einem Geschworenengericht für ein und dasselbe Delikt ist aber doch ein ziemlicher Spagat. Prävention und Diversion sind in bestimmten Fällen sehr sinnvoll, beides darf aber nicht zu sehr zum Ersatz für Strafprozesse werden.

Viel wird also davon abhängen, was die Justiz aus der Reform macht. Womit wir wieder beim Anfang sind: Gerade beim Strafrecht wären eindeutige Vorgaben nötig. Und zuvor ein klarer Plan, was das Strafrecht sanktionieren soll. Und was nicht. Etwa Umarmungen.

E-Mails an: philipp.aichinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2015)

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