Faymann, der Jo-Jo-Kanzler

Die Regierung fühlt sich wieder einmal missverstanden. Sie glaubt ernsthaft, die Medien sollten für Applaus für die Steuerreform sorgen. Klingt nicht nur demokratiepolitisch absurd.

Solche Sonntagsgäste liebt man: Sie streiten sich ewig, wer den besten Platz an der Tafel und die besten, schönsten Stücke auf den Tellern bekommt. Wenn es aber um das Wegräumen geht, verschwinden sie dezent in den Garten. Zum Entspannen und für Selfies. So ähnlich verhält es sich dieser Tage mit unserer geschätzten Bundesregierung, die zwar die große Lohnsteuersenkung verkündet, aber nicht detailliert ausgeführt hat, wie sie diese zu finanzieren gedenkt.

Ab Montag sollte nicht nur eine frühlingshafte Regierungsklausur auf dem Programm stehen, sondern das konzentrierte Drehen an der Kostenschraube. Darin scheiterten Koalitionen aus SPÖ und ÖVP schon häufig, beide Parteien verstehen sich weniger als Regierung, sondern als Interessenvertretung bestimmter Klientel in der Regierung. Nur der Finanzminister hat aufgrund seiner Verantwortung für Budget und Pfad zwischendurch das große Ganze im Blick und muss daher mahnen, fordern, verweigern. Denn ab morgen, Montag, spielen die Minister ihr liebstes Spiel: jeden Posten, jede Zahlung und jede Kompetenz mit Zähnen und Klauen verteidigen, als wären sie die Nichten und Neffen Erwin Prölls.

Der Kanzler liebt seine Richtlinien-Inkompetenz, die ihm als gemütliche Ausrede für Entscheidungs- und Führungsschwäche dient, und schaut dem Treiben lächelnd zu.

Werner Faymann ist der Jo-Jo-Kanzler. Noch vor wenigen Wochen galt er als klarer Ablösekandidat. SPÖ-Historiker suchten schon nach – zumindest kleinen – Erfolgen seiner Amtszeit für die Abschiedshuldigungen. Doch nun ist Faymann laut einhelligen SPÖ-Informationen wieder voll da. Nun ja, voll sei natürlich relativ, heißt es selbst in der SPÖ. Aber immerhin sei es ihm in der Steuerreform gelungen, dafür zu sorgen, dass . . . Ja, was eigentlich? Was gefällt da der SPÖ? Vermögensteuer? Erbschaftssteuer? Belastungen für Stiftungen? Weniger Subventionen für die Landwirtschaft? Irgendetwas?

Seinen PR-Spezialisten ist gelungen, was der SPÖ in solchen Situationen immer gelingt: der ÖVP den schwarzen Wirtschaftsbund-Peter unterzujubeln. Im konkreten Fall sind es schwer abzulehnende Registrierkassen und sehr wohl abzulehnende Mehrwertsteuererhöhungen, die für Empörung in der Wirtschaft sorgen. Reinhold Mitterlehner, bisher bekannt für Erfolg und Glaskinn zugleich, versteht die Welt nicht mehr. Dabei ist die kleine ÖVP-Welt simpel: Die Volkspartei sitzt seit bald 30 Jahren ununterbrochen in der Regierung und dennoch haben die Unternehmer das Gefühl, dass vor allem sie rund um die Uhr für die unzähligen geschützten Werkstätten dieses Landes Steuern zahlen und bei jeder „Reform“ für dumm verkauft werden.

Daher wäre es vielleicht in diesen Kremser Frühlingstagen ganz angebracht, wenn die verehrten Mitglieder des Kabinetts Faymann II sich nicht in einer gönnerhaften Pose inszenierten, sondern daran arbeiteten, wie diese Rückgabe des Steuergelds an uns – mehr ist es eigentlich nicht – so organisiert werden könne, dass am Ende weniger und nicht mehr Schulden stehen.

Das Jo-Jo bleibt am Schluss des Spiels übrigens unten.

chefredaktion@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2015)

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