Wir Crashtest-Dummys für die neue Bankenwelt

Die dümmlichen Argentinien-Vergleiche deutscher Altbanker zeigen, dass Finanzminister Schelling mit dem Heta-Moratorium alles richtig gemacht hat.

Der Hauptgeschäftsführer des deutschen Bankenverbands, Michael Kemmer, hat Österreich gestern wegen des Heta-Zahlungsmoratoriums mit dem Staatspleitenland Argentinien verglichen. Ein völlig überzogener und genau genommen auch ziemlich dummer Vergleich – der aber dadurch Gewicht bekommt, dass er über die in Finanzkreisen sehr ernst genommene Agentur Bloomberg in die Welt hinausgetragen wurde.

Sollen wir jetzt alle in Panik verfallen und auf die unausweichliche Staatspleite warten? Schauen wir uns lieber erst einmal an, wer uns da Liebesgrüße aus Berlin ausrichten lässt. Hauptgeschäftsführer des deutschen Bankenverbands klingt auf den ersten Blick ja irgendwie seriös.

Also: Herr Kemmer war von 2006 bis März 2008 Finanzchef der BayernLB. In diese Zeit fiel die Übernahme der Hypo Alpe Adria samt der in Kärnten damals üblichen korruptiven „Part of the game“-Nebengeräusche. Letzteres bescherte ihm (und einigen anderen BayernLB-Managern) Ermittlungen wegen Bestechung und Untreue, das Verfahren wurde aber eingestellt.

Von März 2008 bis zur Hypo-Notverstaatlichung im Dezember 2009 war Kemmer Vorstandsvorsitzender der Hypo-Mutter BayernLB. In dieser Zeit musste die Bank mit einer Zehn-Milliarden-Euro-Kapitalspritze des Landes Bayern vor der Pleite gerettet werden. Am 14.Dezember 2009, dem Tag der Hypo-Notverstaatlichung, wurde Kemmer schließlich zurückgetreten – sorry, muss natürlich heißen: beschloss er, sich neuen Herausforderungen zu stellen.

Der Mann hat also eine beeindruckende „Erfolgsgeschichte“ aufzuweisen, ist in der Hypo-Heta-Sache überdies so Partei, wie man nur Partei sein kann – und damit wohl auch genau der Richtige, um uns die Bankenwelt nach Lehman zu erklären.

Um diese geht es tatsächlich: Mit der Heta kommt ja (obwohl die Abbaugesellschaft genau genommen gar keine Bank ist) erstmals das neue Bankenabwicklungsregime der EU zur Anwendung. Wir spielen sozusagen Crashtest-Dummys für die neue Bankenwelt. Ein Präzedenzfall, der zeigen wird, ob es tatsächlich gelingt, wieder marktwirtschaftliche Grundsätze in die Finanzwelt einzuführen, oder ob der besonders in Europa eingerissene partielle Finanzkommunismus (Vergesellschaftung von Bankverlusten) weiterhin seine volkswirtschaftlichen Gigaschäden anrichten kann.

Kernpunkt ist das Ende der wettbewerbsverzerrenden öffentlichen Haftungen für private Bankverbindlichkeiten. Die explizite Länderhaftung hat die EU ja dankenswerterweise bereits 2007 gestrichen. Die implizite Staatshaftung ist aber in den Bankerköpfen noch immer fest verankert: Reißen nach Fehlspekulationen alle Stricke, dann hat ohne Wenn und Aber der Steuerzahler einzuspringen. Herr Kemmer hat sich ja gestern selbst geoutet, dass er Bundes- und Landeshaftungen nicht auseinanderhalten kann oder will und noch immer nicht begriffen hat, dass der Bund in Österreich nur für das haftet, wofür er explizite Garantien abgegeben hat. Die Länderhaftung Kärntens für die Hypo gehört jedenfalls nicht dazu.


Das Ganze ist deshalb von grundsätzlicher Bedeutung, weil diese implizite Staatshaftung die Bankenskandale in ganz Europa erst ermöglicht hat. Würde das Refinanzierungsrisiko der Banken ohne die implizite Steuerzahlerhaftung im Hintergrund betrachtet, dann hätten die meisten Banken – etwa die Hypo und die BayernLB – ihre überzogenen Expansions- und Spekulationsstrategien mangels tragbarer Refinanzierung gar nicht fahren können.

Wenn Herr Kemmer jetzt also meint, die Refinanzierung der Banken würde sich durch das Heta-Moratorium verteuern, dann ist das keine Drohung, sondern das lang erwartete Ende der steuerzahlerschädlichen Wettbewerbsverzerrung. Das wird hoffentlich europaweit geschehen. Finanzminister Schelling hat mit dem Moratorium jedenfalls alles richtig gemacht und wird damit hoffentlich einen europäischen Präzedenzfall schaffen. Auch wenn das direkt in den Hypo-Skandal involvierten deutschen Ex-Bankern so gar nicht gefällt.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2015)

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