Die Arbeitslosigkeit beginnt nicht beim AMS, sondern in der Schule

Sind wir einmal arbeitslos, werden wir vom Staat gut versorgt. Schlecht steht es um die Prävention – von der Bildung bis zu den Arbeitskosten Älterer.

Vor einem halben Jahr geisterte die Meldung durch das Land, dass das Arbeitsmarktservice sogar Schulungen für arbeitslose Profifußballer im Angebot hat. Da trafen sich tatsächlich Kicker, die bis vor Kurzem noch fette Gagen kassiert hatten, auf einem Sportplatz im Burgenland und übten ihre Reintegration in den Arbeitsmarkt. Man kann also wirklich nicht sagen, dass hierzulande zu wenig für Menschen ohne Beschäftigung unternommen wird.

Trotzdem steigt die Arbeitslosigkeit von Monat zu Monat. Im März waren fast 430.000 Menschen arbeitslos gemeldet. Vielleicht liegt es ja daran, dass wir zu sehr damit beschäftigt sind, Arbeitslosen zu helfen, wieder einen Job zu bekommen. Und viel zu wenig damit, den oft schon vorgezeichneten Weg hin zur Arbeitslosigkeit rechtzeitig zu verlassen.

Der Weg in die Arbeitslosigkeit beginnt in der Schule. Dort bilden wir am Arbeitsmarkt vorbei. Von einem Ausgleich der Nachteile, aus einem bildungsfernen Elternhaus zu kommen, ganz zu schweigen. Ein Kind eines Arbeiters mit Migrationshintergrund schafft in 56 Prozent der Fälle bestenfalls einen Pflichtschulabschluss. Akademikerkinder werden mehrheitlich selbst einmal ein Studium absolvieren. Und bevor der reflexartige Ruf nach mehr Umverteilung und sozialer Zuwendung ertönt: Ein bisschen mehr fordern und weniger fördern wäre ab und zu auch ganz förderlich.

Das persönliche Problem der Arbeitslosigkeit beginnt für viele nach dem letzten Schultag. Wenn uns die Statistik also erklärt, dass die Arbeitslosigkeit bei den unter 20-Jährigen ohnehin nur um 3,1 Prozent gestiegen ist, dann spricht sie nur von jungen Menschen, die bereits einen Job verloren haben. Jene, die noch nie einen hatten und deshalb irgendeine Zusatzausbildung, eine Schulung, ein Praktikum absolvieren und von den Eltern finanziert werden, werden nicht erfasst. Die Arbeitslosigkeit bei den Jungen ist in Wahrheit dramatischer, als sie offiziell erscheint. Auch die Gefahr, seinen Job zu verlieren, ist bei jungen Mitarbeitern wesentlich – nämlich um 100 Prozent – höher als bei älteren Arbeitnehmern.

Besonders putzig sind an Tagen der allgemeinen Arbeitslosigkeitsempörung Appelle an die Wirtschaft, ältere Mitarbeiter nicht an die frische Luft zu setzen. Jeden Ersten im Monat immer dieselbe Leier. Die bösen Betriebe entledigen sich der Alten. Das ist leider nur ein winzig kleiner Teil der Wahrheit.

Laut Daten des Ökonomen Ulrich Schuh von Eco-Austria steigt die Arbeitslosigkeit der Älteren signifikant kurz vor deren Pensionierung an. Es liegt also der Verdacht nahe, dass hier in vielen Firmen systematisch via AMS frühpensioniert wird. Und natürlich wälzen in diesen Fällen Unternehmer Personalkosten an den Sozialstaat ab. Allerdings tut man sich in Österreich nicht sonderlich leicht, einen über 50-Jährigen einfach zu kündigen. Da muss auch der Betriebsrat mitreden und gegebenenfalls mitspielen. Es sind also nicht die bösen Unternehmer allein, es stecken wohl auch die Gewerkschafter unter dieser AMS-Decke.


Wenn es um Lösungen geht, gibt es in Österreich nur ein probates Mittel: Strafe. Die beliebteste politische Geste ist der erhobene Zeigefinger. Unternehmer sollen Strafe zahlen, wenn sie die erforderliche Quote für ältere Arbeitslose nicht erfüllen. Ganz nach dem Motto: Wir lösen ein Problem, indem wir es verbieten. „Gehen Sie weiter, es gibt nichts zu sehen!“

Welches Problem? Die liberale Denkfabrik Agenda Austria kommt zum Schluss, dass es kaum ein Land gibt, in dem die Arbeitskosten am Ende der Beschäftigung so hoch sind wie bei uns. In Großbritannien sinken die Kosten bei den Älteren sogar. Die Einkommenskurve ist in Österreich steiler als in Deutschland. Es geht nicht darum, dass Ältere weniger verdienen sollen. Statt sie via Krankenstand und AMS in eine neue und extrem teure Form der Frühpension zu schicken, könnte man die Lohnnebenkosten für diese Gruppe senken. Dann zahlen sie zwar nicht mehr ins Sozialsystem ein, werden aber auch nicht mehr darin „verräumt“. Denn das haben sich – oft lang gediente – Mitarbeiter im wahrsten Sinn des Wortes nicht verdient.

E-Mails an: gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2015)

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