Er hat euch nicht belogen? Was von Jörg Haider übrig blieb

Der Hypo-U-Ausschuss beginnt. Die mutmaßliche Korruption beim Seenkauf macht Schlagzeilen. Zwischen den Trümmern einer Ära der Skrupellosigkeit.

Ein Stadion. Ein schönes Stadion. Aber ein leeres Stadion. Das ist es, was von Jörg Haider übrig blieb. Jedenfalls auf der symbolischen Ebene. Aber die Realität ist von dieser nicht allzu weit entfernt.

Zumindest in Kärnten. Bundespolitisch sieht es ein wenig anders aus: 1986 zum Parteichef der FPÖ gewählt, dominierte Jörg Haider in den folgenden zwei Jahrzehnten die österreichische Politik. Die anderen mögen Kanzler und Vizekanzler gewesen sein, Haider setzte die Themen: ob Privilegienabbau – die Politikerkaste musste deutlich abspecken, auf „wohlerworbene“ Rechte verzichten – oder Ausländerpolitik – die Regierung verfügte restriktivere Zuwanderungsgesetze. Selbst die Reformen der Regierung Schüssel wären ohne Haider nicht möglich gewesen.

Seine nachhaltigsten Erfolge feierte Haider also als Impulsgeber von außen. Erst für die rot-schwarze Koalition, dann für die schwarz-blaue. Da, wo er selbst regiert hat, sieht die Bilanz düster aus.

Für Kärnten waren es im Endeffekt verlorene Jahre. Ein Höhenflug, auf Sand gebaut. Es ist kein Zufall, dass Aufstieg und Fall der Hypo-Alpe-Adria-Bank Hand in Hand mit jenem Jörg Haiders gegangen sind. Da eine Provinzbank, dort ein Provinzpolitiker, beide wollten sich mit den engen Grenzen nicht mehr abfinden. Die Bank expandierte in den Südosten Europas. Der Politiker trieb die Konkurrenz bundesweit vor sich her, wurde zeitweilig zum „Schrecken Europas“. Letztlich übernahmen sich beide – indem sie in ihrem Expansionsdrang die Grenze von Recht und Unrecht nicht mehr wahrnahmen.

Der Seenkauf dürfte nur die Spitze des Systems Haider sein, nun eben durch ein Geständnis freigelegt: Das von Haider regierte Land vergibt einen Auftrag – Geld fließt als Spende zur Haider-Partei zurück. So hat es auch Dietrich Birnbacher vor Gericht erzählt. Teile seines vom Land bezahlten Hypo-Honorars seien an die Landes-ÖVP und an Haiders Partei zurückgeflossen. Verurteilt wurde dafür bisher nur der damalige ÖVP-Chef.

Ebenfalls verurteilt ist Haiders Pendant in der Hypo Bank, Wolfgang Kulterer. Er büßt sein grenzenloses Sendungsbewusstsein im Gefängnis. Die Hypo finanzierte, was Jörg Haider gerade einfiel. Mitunter kam der Einfall auch von der Hypo. „Anything goes“ – das war die Mentalität der Wörthersee-Politiker und -Banker. Geblendet waren damals aber auch die Politiker der anderen Parteien. Den Haftungen für die Hypo im Landtag stimmten alle Fraktionen zu, auch Rot und Grün. So sehr sie Jörg Haider ablehnten, so glaubten sie doch insgeheim daran, dass da ein Macher am Werk war, der schon wusste, was er tat. Und ganz insgeheim bewunderten sie ihn sogar und wären auch gern so gewesen wie er.

Kärnten steht nun wieder dort, wo es vor Jörg Haider gestanden ist. Wenn nicht noch weiter hinten. Als er 1999 zum zweiten Mal Landeshauptmann wurde, betrug der Schuldenstand 0,9 Mrd. Euro, in seinem Todesjahr, 2008, waren es 1,7 Mrd., in den Jahren danach stieg dieser noch weiter an. Nun wurden mit dem Geld freilich auch sinnvolle Dinge gemacht, wie Straßen oder Bahnhöfe renoviert. Letztlich wurde aber viel auch einfach verpulvert. Wie gesagt – das Stadion steht noch. Die Seebühne, auch so ein Haider-Prestigeprojekt, aber nicht mehr. Und selbst die Haider-Erfindung BZÖ, von ihm vor genau zehn Jahren gegründet, verkam zur Marginalie.

Wenn die Ära Haider mit einem Wort umschrieben werden kann, dann ist es wahrscheinlich jenes: Skrupellosigkeit. Er kannte keine Skrupel im Umgang mit politischen Gegnern. Verhöhnung, Verächtlichmachung und Kriminalisierung waren an der Tagesordnung. Und er kannte auch keine Skrupel im Umgang mit den Gesetzen. Haider setzte sich einfach über diese hinweg. Oder noch exakter: Er lotete die Grenze bis zum Exzess aus – siehe die leidige Ortstafelgeschichte – und überschritt sie, wenn es sein musste. Der Zweck – der politische Erfolg, die Finanzierung der Wahlkämpfe – heiligte die Mittel.

Jörg Haider hat eine Zeit lang das Land verändert. Sein tatsächliches Erbe ist aber gering. Er wird lediglich als erfolgreicher Wahlkämpfer in Erinnerung bleiben. Und als politischer Gauner.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2015)

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