Ein Kampf zwischen David und Google.at

Die EU-Kommission geht gegen Details der marktbeherrschenden Rolle des US-Internetkonzerns vor. Ist es zu spät, ihn noch gänzlich einzufangen?

So viel Lob sind EU-Beamte gar nicht mehr gewohnt. Gestern hagelte es Komplimente. Denn die EU-Kommission hat nach langem Zögern den Kampf gegen die marktbeherrschende Rolle der Suchmaschine Google begonnen. Für EU-Politiker fast aller Lager war das Anlass, sich mit Unterstützungserklärungen zu Wort zu melden.

Für Euphorie gibt es freilich wenig Anlass. Die EU-Kommission kommt zwar ihrer Aufgabe als oberste Wettbewerbshüterin nach. Sie ortet bei zwei speziellen Details ein marktverzerrendes Problem: Google wird vorgeworfen, seinen Preisvergleichsdienst in der eigenen Suchmaschine zu bevorzugen und das mobile Betriebssystem Android dafür zu nutzen, konkurrierende Anbieter abzudrängen. Aber dem eigentlichen Problem des rasant gewachsenen Internetdienstes wird damit wohl nicht beigekommen.

Google hat sich durch geschicktes Marketing, durch strategische Schachzüge und durch technische Innovationen einen Zugang in jedes Wohnzimmer, in jedes Unternehmen verschafft. Knapp 20 Jahre hat es gedauert, bis kaum noch einer der weltweit drei Milliarden Internetuser an der Suchmaschine vorbeikommt. Der riesige Erfolg wurde zu einem Problem, das dem US-Konzern mittlerweile sogar selbst bewusst ist – wogegen er allerdings nichts unternimmt: Google gibt die Orientierung in einer unübersichtlich gewordenen globalen Vernetzung vor. Was aufgelistet und was nicht aufgelistet wird, entscheidet über wirtschaftliche und private Schicksale, aber auch über die Perspektive der Gesellschaft. Wir sehen durch eine Brille, die uns Google färbt.

Da fast jeder den Dienst nutzt und die Ergebnisauswertung ständig individualisiert wird, gibt das gespeicherte Suchprofil zudem mehr über jeden von uns preis als Krankenakten, Kontoinformationen oder Facebook-Eintragungen. Kein Wunder, dass sich NSA-Chef Michael Rogers ein offizielles Tor für seine Behörde in die Datenwelt von Google wünscht. Hier sehen Sicherheitsbehörden mehr als durch jede Überwachungskamera.

Der Kampf gegen Google ist ein Kampf David gegen Goliath geworden. Wobei David bekanntlich stets auch die Chance hat, Goliath an empfindlichen Stellen zu treffen. Er muss nur wissen, wo.

Bisher ist das freilich nicht gelungen. Wenn es Druck von staatlichen Stellen gegeben hat, ist Google in der Vergangenheit mit Geschick und ohne großen Schaden ausgewichen. Der US-Konzern hat Lösungen gesucht, die für den Gegner politisch verkraftbar waren, die aber die eigene Dominanz nicht gefährdet haben. So forderten beispielsweise französische Verlage mit Unterstützung der Regierung in Paris eine Entschädigung für jene Artikel, die von der Suchmaschine gelistet wurden. Google zahlte 60 Millionen Euro für ein Nachrichtenprojekt, änderte aber seiner Praxis kaum.

Die Suchmaschine lebt davon, dass sie zielgenau und regional Informationen liefert, und das noch dazu gratis. Ihr Geschäftsmodell ist das individuelle Listen von Alternativen. Google dabei die Manipulation zu verbieten ist zwar wünschenswert, aber unrealistisch. Auch das nun begonnene EU-Verfahren wird im besten Fall eine Änderung von Teilen dieser Geschäftspraxis bringen – sie aber nicht gänzlich ändern.

Wer Google empfindlich treffen möchte, hat letztlich nur eine Chance: Er muss eine bessere Konkurrenz schaffen. Es ist durchaus möglich, dass in einigen Jahren Google so wie einst Yahoo vom Markt gedrängt wird. In der EU brauchte es dafür allerdings nicht bloß eine kampfbereite EU-Kommission, sondern auch den Willen zur Förderung digitaler Innovationen. Es braucht selbstbewusste Unternehmen und ebensolche Konsumenten, die ihre eigene Nutzungspraxis hinterfragen.

Ein spätes Wettbewerbsverfahren allein ist nicht die Antwort, sondern diese wäre vielmehr ein rechtlicher Rahmen für den digitalen Markt. Es braucht, und da ist die plötzlich gefeierte EU-Kommission seit Jahren säumig, glaubwürdige Datenschutz- und Urheberbestimmungen, die nicht nach dem Willen von Internetkonzernen gestaltet werden, sondern nach den Bedürfnissen der User.

E-Mails an: wolfgang.boehm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2015)

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