Die Regierung sollte sich nicht hinter kreativ herbeigerechneten strukturellen Budgetsalden verstecken, sondern den Staatshaushalt offensiv sanieren.
Bis 2019 werden wir also ein Nulldefizit haben. Nicht ganz, aber zumindest ein strukturelles, aus dem so lächerliche Einmalausgaben wie die Hypo-Kosten ebenso herausgerechnet werden wie Konjunktureffekte, also etwa die Ausgaben für steigende Arbeitslosigkeit. Auch das natürlich nicht ganz, denn als Nulldefizit geht laut österreichischem Stabilitätspakt ja schon ein struktureller Fehlbetrag von 0,45 Prozent des BIPs durch.
Der Staat wird also laut dem offiziellen Finanzrahmen der Regierung bis 2019 selbst unter Nichtberücksichtigung milliardenschwerer Einmal- und Konjunktureffekte Jahr für Jahr um gut 1,5 Milliarden mehr ausgeben als er einnimmt. So hat man sich ein Nulldefizit immer vorgestellt!
Etwas plakativer formuliert: Der Refrain der inoffiziellen österreichischen Finanzministerhymne („Ich bin ein Negerant, Madame“) wird soeben von „Net amol ohne mein Ferrari war i pari“ auf „Ohne mein Ferrari war i fast schon pari“ abgeändert. Blöd nur, das die Ferrari-Kosten natürlich trotzdem weiterlaufen und beglichen werden müssen.
Es ehrt den Finanzminister und den Vizekanzler, dass sie sich mit diesem Budgetpfad „nicht zufrieden“ zeigen. Ambitioniert sieht nämlich wirklich irgendwie anders aus! Und der Plan, die nächsten vier Jahre trotz Rekordsteuereinnahmen weiter ein – zugegeben kleines – strukturelles Defizit zu fahren, zeigt eben nicht, dass Österreich über „stabile Finanzen“ verfügt, wie Bundeskanzler Faymann meinte. Sondern so ziemlich das Gegenteil. Stabile Finanzen wären bei einem tatsächlichen Nulldefizit beziehungsweise bei einem strukturellen Budgetüberschuss erreicht. Das geht aber nur mit echten Ausgabenreformen, und nicht, wie jetzt, mit einer kleinen, eher unstrukturierten Zuwachsbremse bei den Verwaltungsausgaben.
Der strukturelle Saldo aus dem EU-Fiskalpakt, auf dem jetzt alle EU-Länder so herumreiten, ist dabei wenig hilfreich. Es ist zwar eine Kennzahl, die sehr schön darstellt, ob ein Land im operativen Geschäft unter normalen Konjunkturbedingungen halbwegs funktioniert und kann Regierungen deshalb als wichtige Steuerungskennziffer dienen. Zur Darstellung der echten finanziellen Situation eines Staates ist sie aber völlig ungeeignet. Dass sie in der Öffentlichkeit trotzdem so stark betont wird, hängt wohl damit zusammen, dass sie in konjunkturschwachen Zeiten deutlich unter dem tatsächlichen Fehlbetrag im Staatshaushalt liegt. Und damit ein ziemlich geschöntes Bild ergibt.
Tatsächlich wird das echte Defizit in den kommenden Jahren recht deutlich über dem strukturellen Minus von 0,45 Prozent des BIPs liegen. Und leider muss, wie schon beim eingangs erwähnten Ferrari-Beispiel dargestellt, auch der nicht strukturelle Teil des Defizits finanziert werden. Finanzminister Schelling hat das gestern mit seinem Verlangen nach einem echten Maastricht-Nulldefizit ohnehin recht deutlich gemacht. Erst wenn der Staatshaushalt insgesamt über die gesamte Konjunkturperiode ausgeglichen ist, kann von stabilen Finanzen gesprochen werden. Vorher haben wir leider ein Problem.
Wer wissen will, wie es geht, könnte einmal ein bisschen in Berlin kiebitzen: Die deutsche Regierung schlägt sich gerade mit dem Luxusproblem herum, wie sie die viel höher als erwartet ausgefallenen Budgetüberschüsse verbraten soll. Zur Wahlstehen forcierter Schuldenabbau, Investitionen in die Infrastruktur oder Steuersenkung. Der nördliche Nachbar macht seit dem Vorjahr Überschüsse und wird das auch in den kommenden Jahren tun. Und zwar echte, nicht nur strukturelle. Und er liefert gerade den Beweis, dass ein ordentlicher Staatshaushalt nichts mit Kaputtsparen zu tun hat: Die Wirtschaft brummt – im Gegensatz zu Österreich – nämlich gerade recht beeindruckend. Und sorgt für zusätzliche Überschüsse.
Da wird gerade schlüssig nachgewiesen, dass gesundes Budget und florierende Wirtschaft kein Widerspruch sind, wie uns das einige Ökonomen einzureden versuchen. Da wirkt es ein bisschen ärmlich, wenn man sich hier hinter kreativ herbeigerechneten strukturellen Budgetsalden verstecken muss.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2015)