Gazprom ist der richtige Gegner, die EU nimmt aber die falsche Waffe

Russland nutzt die Macht seiner Gaslieferungen für politische Zwecke. Eine Reaktion darauf ist wichtig, sie sollte aber in Form einer Energieunion erfolgen.

In der Vorwoche Google, diese Woche Gazprom. Der EU-Kommission und ihrer wehrhaften Wettbewerbskommissarin, Margrethe Vestager, scheint kein Gegner zu groß zu sein. Aber auch wenn diese jüngsten Aktivitäten der Brüsseler Verteidiger des freien Wettbewerbs aus der Sicht eines europäischen Konsumenten in jedem Fall zu befürworten sind, so liegt die Situation beim russischen Gasmonopolisten doch gänzlich anders als beim amerikanischen IT-Konzern.

Vordergründig scheinen sich die Fälle zwar zu ähneln. Hier ein mächtiger Internetkonzern, der es mit der Ehrlichkeit seiner Suchergebnisse – zumindest laut dem Vorwurf der EU – nicht so genau nimmt, und etwa Firmen, mit denen er nicht so gut kann, schlechter reiht. Dort ein ebenfalls mächtiges Gasunternehmen, das es – wiederum der Vorwurf der EU – mit der Fairness seiner Preise und Vertragsbedingungen nicht so genau nimmt und etwa von Ländern, mit denen es nicht so gut kann, höhere Preise verlangt und den Weiterverkauf von Gas untersagt. Zwei Firmen, die nach Ansicht der EU-Kommission bei ihren Aktivitäten innerhalb der Union europäisches Recht brechen. Zwei Firmen für die Wettbewerbskommission also.


Diese Sichtweise lässt jedoch einen entscheidenden Punkt völlig außer Acht: Während Google mutmaßlich seine Marktmacht missbraucht, um sich selbst einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber Konkurrenten zu verschaffen, geht es bei Gazprom nur im weitesten Sinn um Wirtschaft. Wenn der russische Gasriese von osteuropäischen Ländern höhere Preise verlangt und ihnen den Re-Export russischen Gases in die Ukraine untersagt, dann geht es rein um Politik. So sollen jene Staaten bestraft werden, die laut Moskau „unerlaubterweise“ ihren Platz in der östlichen Hegemonie verlassen und sich nach Westen gewandt haben. Nicht zuletzt deshalb, weil diese ehemaligen Mitglieder von Comecon und Warschauer Pakt nun auch zu den größten Kritikern des neuen Großmachtstrebens im Kreml mutiert sind.

Dass die EU auf diese Machtpolitik der blauen Flamme reagiert, ist richtig und begrüßenswert. Dass sie es mit dem Wettbewerbsrecht macht, ist zwar besser als gar nichts – aber weit von einer optimalen Vorgehensweise entfernt.

Denn auch wenn Kommissarin Vestager am Mittwoch nicht müde wurde zu betonen, dass es sich bei der ganzen Sache nicht um ein politisches Thema handelt, ist es natürlich eines. Und daher müsste auch die Reaktion entsprechend ausfallen – etwa in Form einer Energieunion, wie sie der damalige polnische Premier und jetzige Ratspräsident, Donald Tusk, bereits vor rund zwei Jahren aufs Tapet gebracht hat und die nach wie vor nur äußerst zögerlich umgesetzt wird.

Hinter diesem sperrigen Begriff versteckt sich das Ende für die nationalen Süppchen, die in Energiefragen in Europa nach wie vor gekocht werden. So sollten nicht nur die Kräfte aller europäischen Gaskunden in den Verhandlungen mit Moskau gebündelt werden. Auch beim Erschließen neuer Lieferanten brauchte es dringend ein einheitliches Vorgehen Europas. Dies zeigt etwa das Beispiel Turkmenistan: Das Land gilt seit Langem als potenzieller neuer Lieferant im Raum des Kaspischen Meeres. Derzeit sind die Turkmenen aber noch vollständig vom Pipelinesystem Russlands abhängig und daher entsprechend vorsichtig mit Plänen für neue Leitungen, die Moskau verärgern könnten. Solche Länder werden sich nur dann aus der Deckung trauen, wenn sie wissen, dass sie in Europa einen verlässlichen und starken Partner haben.

Das ist aber nicht der Fall. Während in den USA oder China die möglichst effiziente Versorgung mit ausreichend Energie Chefsache ist, gibt es in der EU nach wie vor einen Fleckerlteppich aus nationalen Energievorlieben. Das Ganze wird auch noch garniert mit einer Menge an Subventionen. Manchmal für die Atomkraft, manchmal für die Biomasse oder Solarenergie.

Solang die Nationalstaaten dieses Einzelkämpfertum verteidigen, werden schwächere EU-Länder von Russland erpressbar bleiben.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2015)

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