Die NSA und ihre heuchlerischen Hilfssheriffs

Es wäre ein netter Zug der Regierung, wenn sie nach zwei Jahren des Schweigens endlich Auskunft geben könnte über den Vertrag, den Österreichs Heeresnachrichtenamt mit der NSA geschlossen hat.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat es mit seiner Hilfsbereitschaft etwas übertrieben. Recherchen des „Spiegels“ zufolge dürfte die National Security Agency (NSA) ihre deutschen Kollegen dafür eingespannt haben, von der Abhörstation im bayerischen Bad Aibling aus Unternehmen wie den Airbus-Konzern und zudem auch von Paris bis Brüssel europäische Behörden auszuhorchen. Sogar Ziele in Österreich sollen auf dem Wunschzettel der informationshungrigen Amerikaner gestanden sein, berichtete die „Bild am Sonntag“ ergänzend.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Außenminister Sebastian Kurz verlangten, wie das in solchen Fällen so üblich ist, sofort nähere Auskünfte aus Berlin. Doch viel wird da nicht kommen. Jedenfalls wird die Öffentlichkeit kaum etwas erfahren.

Denn die österreichischen Behörden verhalten sich besonders schweigsam, wenn es um Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste geht. Man will sich ja die schöne Zusammenarbeit nicht kaputt machen. Das ist angesichts beschränkter österreichischer Spionagemöglichkeiten nachvollziehbar, demokratiepolitisch jedoch bedenklich.

Bis heute lehnt es Verteidigungsminister Gerald Klug ab, auch nur die Existenz des Vertrages zuzugeben (oder auch abzustreiten), den das Heeresnachrichtenamt mit der NSA abgeschlossen hat. Er verliert nach Auskunft des grünen Abgeordneten Peter Pilz nicht einmal in dem zur Verschwiegenheit verpflichteten Ständigen Unterausschuss des Landesverteidigungsausschusses ein Wort darüber. Das ist eine Missachtung jenes parlamentarischen Organs, das den Nachrichtendiensten des Bundesheeres auf die Finger schauen sollte. Dabei ist mittlerweile in Dokumenten, die der ehemalige NSA-Mitarbeiter Edward Snowden preisgegeben hat, schwarz auf weiß zu lesen, dass Österreich ein Partnerstaat der NSA ist und Zielort für Spionage gegen Organisationen wie die Atomenergiebehörde.

Dass die Inhalte nachrichtendienstlicher Kooperation nicht detailliert öffentlich breitgetreten werden, versteht sich. Es sollen ja keine kriminellen oder verdächtigen Personen vorgewarnt werden. Als Bürger hätte man jedoch schon das Bedürfnis, wenigstens über die rechtlichen Rahmenbedingungen und Grenzen der Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten Bescheid zu wissen. Denn sonst ist ja eine Kontrolle nicht einmal theoretisch möglich.

Sammelwut. Genau darin liegt das Grundproblem von NSA, BND und Co. In ihrer Sammelwut haben sich die Informationskraken verselbstständigt. Sie führen ein Eigenleben, über das womöglich nicht einmal zuständige politische Behörden im Bild sind. Die deutsche Kanzlerin hat jedenfalls einen ziemlich uneleganten Mühlstein um den Hals. Entweder schaute sie weg, als der BND, den ihr Kanzleramt führen sollte, im Auftrag der NSA fröhlich den europäischen Flugzeughersteller Airbus und Partnerländer ausspionieren sollte. Oder sie wusste nichts, was fast genauso arg wäre. Dementsprechend genüsslich walzen nun ihre politischen Gegner, die sie seit fast zehn Jahren in den Schatten stellt, den BND-Skandal aus.

Bei aller Kritik an Industriespionage und dem Abhören von Politikern befreundeter Staaten möge man sich jedoch vor heuchlerischen Moralistenposen hüten. Denn erstens haben Nachrichtendienste in ihrer Neugier noch nie große Unterschiede zwischen Freund und Feind gemacht. Zweitens sind funktionierende Informationsströme zwischen den Diensten angesichts der akuten Terrorgefahr, die Anhänger des IS darstellen, nötiger denn je. Und drittens könnte man zur Abwechslung vielleicht darüber sinnieren, was russische oder chinesische Dienste so treiben. In Moskau und Peking sitzen zwei Präsidenten, die amüsiert verfolgen werden, wie sich westliche Staaten gegenseitig in den Schmutz ziehen. Und dabei Bezug nehmen auf NSA-Dokumente, die ein Mann veröffentlicht hat, der über China nach Russland geflüchtet ist: Edward Snowden.

christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2015)

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