Die Wiener Ampelpärchen-Politik

Ein Song-Contest-Sommermärchen lang konnte die Welt glauben, Wien sei die Hauptstadt des Regenbogens. Das stimmt nicht ganz. Aber wahr ist: Die (grüne) Wiener Politik lebt gut von der "Message".

Es gibt sie auf Tassen, auf T-Shirts und bald in München. Als Nachricht haben sie es sogar bis auf CNN geschafft. Mit dem Song Contest ist zwar auch der Hype um die Wiener Ampelpärchen vorbei, aber ein kurzes Stadtmarketing-Sommermärchen lang konnte die Welt tatsächlich glauben, Wien sei die Hauptstadt des Regenbogens: alt, aber sexy – um ein Zitat des früheren Berliner Bürgermeisters („Berlin ist arm, aber sexy“) zu bemühen.

Der heimische Alltag freilich ist dann weniger rosarot, mehr aktengrau: Rechtliche Gleichstellung für schwule oder lesbische Paare gibt es in Österreich immer erst dann, wenn Höchstgerichte die Politik indirekt dazu zwingen. Daran ändern auch Ampeln nichts. Aber ganz wirkungslos sind solche Gesten oder Hypes dennoch nicht, sie verändern die Atmosphäre doch ein wenig. So könnte man sich durchaus wetten trauen, dass die Conchita-Begeisterung vieler Kinder und Teenager punkto Akzeptanz mehr bewirkt als Broschüren oder ernste Pädagogengesichter. Eben weil das Thema nicht abstrakt, mit erhobenem Zeigefinger daherkommt, sondern mit Glamour. Oder im Fall der Ampelpärchen: mit Witz. Diese Erziehung im „Fake it till you make it“-Stil ist wohl auch das, was die Ampelpärchen-Kritiker mehr stört als die überschaubaren Kosten.

So gesehen ist es kein Zufall, dass es die grüne Vizebürgermeisterin war, die die Ampelidee hatte. Nicht aus Gründen der Weltverbesserung, sondern aus Gewohnheit: Mit Gags Duftmarken für die geneigte Wählerschaft abzusetzen, das beherrscht sie. Und wenn man überlegt, was von Rot-Grün bleibt, landet man auch rasch beim Atmosphärischen. Die Rede ist nicht vom verdrießlichen Koalitionsklima, sondern von der grünen Verkehrserziehung der Wiener. Das Dauerlobbying für Radfahrer, die vielen Events, der als dramatische Sieg inszenierte Umbau einer Einkaufsstraße: all das mag genervt haben, doch es hat Spuren hinterlassen. Denn man gewöhnt sich halt rascher als man denkt, oft ohne es zu merken. Auch an eine verkehrsberuhigte Mariahilfer Straße.

Wenn im Sommer der Abschluss ihres Umbaus groß gefeiert wird, werden die innerstädtischen Grün-Wähler (sofern sie nicht Anrainer sind) jedenfalls zufrieden sein. So hat man sich das ja vorgestellt. Dass dieses Projekt womöglich nicht das wichtigste verkehrspolitische Anliegen der Stadt war, ist egal. Denn darum geht es bei Politik nach der Methode „Ampelpärchen“ nicht, auf die sich die Grünen so gut verstehen, sondern um Gesten, Symbolkraft, Schlagzeilentauglichkeit. Die Message eben.

Das Dumme an der Ampelpärchen-Politik sind freilich ihre Nebenwirkungen: Wer sich in den Hype und die eigenen Gags verliebt, hat keine Auge für sprödere Themen (Transparenz, PR-Budgets) und solche, die sich nicht für freche Plakate eignen. So fällt auf, dass sich die Wiener Grünen zum grünen Kernthema Flüchtlinge meist nur auf Nachfrage zu Wort melden. Ob das an der schlechten Arbeit ihres Integrationssprechers liegt, der zur SPÖ gewechselt ist, oder daran, dass er keine gute machen durfte, wird man sehen. Die Ausrede, dass man offiziell nur für Verkehr und Stadtentwicklung zuständig ist, zählt übrigens nicht: Denn bei den SPÖ-Ressort-Themen Bildung und Wohnen platzen die Grünen fast vor Ideen.

Aber gut, das rote Wien überfüllt seine Asylwerber-Quote ohnehin. Anders als Salzburg und Tirol, die beide hinterherhinken und wo die Grünen in der Regierung explizit zuständig sind. Doch so laut die Grünen im Bund von der Oppositionsbank in der Asylfrage Kritik üben, so leise sind die Kollegen in den Ländern. Das Thema rangiert irgendwo hinter Verkehr und Lebensqualität.
Die Wochenzeitung „Falter“ hat übrigens ein lustiges Gedankenexperiment angestellt: Hätte nicht Conchita, sondern Andreas Gabalier den Song Contest 2014 gewonnen, hätten die Grünen dann Ampelweiberln und Ampelmanderln (mit Gamsbart) montieren lassen? Könnten sie überhaupt noch einen Gag auslassen? Man ist sich nicht so sicher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2015)

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