Hans Niessls doppeltes Spiel mit Brüssel

Der Anti-EU-Populismus des burgenländischen Landeshauptmanns ist für einen Sozialdemokraten neu, steigert aber die Chancen auf einen Wahlerfolg.

Wer ein wenig in den burgenländischen Wahlkampf hineingehorcht und hineingeschaut hat, wird sich des Eindrucks nicht erwehren können, dass hier drei Kandidaten mit denselben Botschaften um Stimmen werben. Alle drei wollen auf dem Arbeitsmarkt das Prinzip „Burgenländer zuerst“ durchsetzen und – mit Abstufungen von temporär bis dauerhaft – wieder Grenzkontrollen einführen, um etwas gegen die tatsächliche oder nur gefühlte Kriminalität im Land zu unternehmen.

Der Erste, Hans Tschürtz, ist Parteiobmann der FPÖ. Der Zweite, Manfred Kölly, einst Klubchef der Freiheitlichen, führt die Liste Burgenland an, eine Plattform für Namenslisten, die sich für die Landtagswahl am 31.Mai mit dem Team Stronach zusammengetan hat. Der Dritte, Hans Niessl, ist Landeshauptmann. Und, man glaubt es kaum, Sozialdemokrat.

Man kann sich dem Phänomen Hans Niessl, der mit Fortdauer seiner seit 15 Jahren währenden Amtszeit immer selbstbewusster und inhaltlich eigensinniger geworden ist, von unterschiedlichen Seiten nähern. Als Sozialdemokrat eher linker Prägung wird man sich angewidert von Niessls Sicht auf die Welt abwenden.

Als Michael Häupl wird man hoffen, dass die freiheitlichen Tendenzen des Kollegen Niessl nicht so weit gehen, dass daraus eine rot-blaue Koalition wird, jetzt, da der Proporz im Burgenland Geschichte ist. Zumal das der Wiener SPÖ, die im Herbst zur Wahl steht, ein zusätzliches Problem bescheren könnte (als hätte sie nicht schon genug). Als Werner Faymann wird man sich insgeheim zwar fragen, wie stark sich die SPÖ verbiegen lässt, bis sie auseinanderbricht, öffentlich aber lieber schweigen.

Als Hans Niessl selbst, der 48 Prozent zu verteidigen hat, kann man zu dem Schluss kommen, dass eine am Volksgemurmel ausgerichtete Politik vertretbar ist, wenn es darum geht, die FPÖ wenigstens im eigenen Land klein zu halten. Wo man doch ohnehin in der Tradition einer Landespartei steht, die immer schon mehr Karl Schlögl als Caspar Einem war, also eher zum rechten Flügel in der SPÖ tendiert hat.

Und all diese Versuche, Hans Niessl gerecht zu werden, sind gleichermaßen legitim. Die einen werden gut finden, dass er die pannonische SPÖ zur All-inclusive-Partei zu machen gedenkt oder schon gemacht hat, weil sie dadurch erfolgreicher bleibt als ihre Schwesterparteien. Die anderen werden ihm mit derselben Berechtigung Verrat an den sozialdemokratischen Werten vorwerfen. Je nachdem, wo in Österreich man gerade steht.

In einem Punkt aber kann man den Landeshauptmann nicht aus der Verantwortung entlassen. Das Burgenland hat seit dem EU-Beitritt Österreichs fast eine Milliarde Euro an Förderungen kassiert. Man muss anerkennen, dass die SPÖ im Zwangsverbund mit der ÖVP das Richtige damit anzufangen gewusst hat. Denn das Land hat sich in den vergangenen 20Jahren erstaunlich entwickelt.

Umso verwerflicher ist daher Niessls doppeltes Spiel mit der EU. Einerseits hält er die Hand für Fördergelder der Union auf, andererseits blendet er deren Grundprinzipien – den freien Waren-, Personen- und Dienstleistungsverkehr – aus, wenn er Jobs für Burgenländer fördern und ausländische Firmen benachteiligen will. Und zwar wider besseres rechtliches Wissen. Man würde sich nämlich der Diskriminierung schuldig machen.

Diese Rosinenstrategie – man pickt sich das Geld aus den Fördertöpfen heraus, lehnt das vereinte Europa aber sonst ab – hat etwas Undankbares und wirft die Frage nach den Konsequenzen auf. Denkt man zu Ende, was ausgerechnet ein SPÖ-Politiker da vorschlägt, wird das Burgenland bald von einem Wall umgeben sein, dessen Zugbrücke vor Eisenstadt nur dann hinuntergelassen wird, wenn die Boten aus Brüssel die Truhen mit den Förderschätzen überbringen.

Dabei weiß Niessl natürlich, dass es die EU nur im Paket gibt und dass er seinen Landsleuten Teile der Wahrheit vorenthält. Aber für ein gutes Ergebnis am 31.Mai sind ihm eben viele Mittel recht. Man kannte das bisher nur von der FPÖ und nannte es Anti-EU-Populismus. Damit lassen sich nachweislich Wahlen gewinnen oder zumindest nicht verlieren. Aber glaubwürdiger wird die Sozialdemokratie dadurch nicht.

E-Mails an:thomas.prior@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2015)

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