Nein, wir sollten auf keinen Fall über die Homo-Ehe abstimmen

Vor lauter Euphorie über das Ja zur gleichgeschlechtlichen Ehe in Irland wird vergessen, dass die Mehrheit nicht über Rechte von Minderheiten richten sollte.

Die Freude mag ja verständlich sein. Mitten in die toleranzgetränkte Euphorie rund um Life Ball und Song Contest platzte die Meldung, dass Irland per Volksabstimmung die gleichgeschlechtliche Ehe möglich macht. Gerade die Iren, die Erzkatholiken, haben sie also durchgesetzt, lautet der oft gehörte Tenor. Und schon orten auch im Rest Europas die Befürworter eine gute Gelegenheit. Machen wir doch auch in Deutschland eine Befragung, lassen wir auch in Österreich abstimmen. Wäre ja gelacht, würde hierzulande nicht sogar noch ein besseres Ergebnis als in Irland zustande kommen.

Aber Vorsicht. Denn bei aller Euphorie sollte man eines nicht übersehen: In Irland hat eine Mehrheit über die Rechte einer Minderheit abgestimmt. Und genau das sollte bei einer Volksabstimmung nicht sein, schließlich widerspricht das jeglichem demokratischen Standard. Erinnern wir uns, für welche Empörung es – völlig zu Recht – gesorgt hat, als etwa die Schweizer Bevölkerung 2009 über ein Minarettverbot abgestimmt hat. Und mit der Aufnahme des Bauverbots in die Bundesverfassung eine massive Diskriminierung von Muslimen per Gesetz legitimiert wurde. Denken wir an das – völlig zu Recht bestehende – Unbehagen, als Kroatien Ende 2013 per Volksabstimmung dafür gesorgt hat, dass die Ehe explizit als „Gemeinschaft zwischen Mann und Frau“ in der Verfassung definiert ist. Die Ehe für Homosexuelle wurde damit zu Grabe getragen, Kroatien musste sich massive Vorwürfe wegen einer minderheitenfeindlichen Regelung gefallen lassen. Kurz danach haben kroatische Nationalisten auch schon die nötigen Unterschriften gesammelt, um ein Referendum zu erwirken, mit dem das unter anderem in Vukovar gebräuchliche Serbisch als Amtssprache verboten werden sollte – immerhin, hier stoppte das Verfassungsgericht die Volksabstimmung.

Doch in Irland ist es plötzlich ganz anders. Kein Wunder, ist das Ergebnis doch opportun, lässt sich die Ungleichbehandlung hetero- und homosexueller Paare vor dem Gesetz nicht mehr wirklich schlüssig begründen. Doch der Weg, wie es letztlich zu diesem gesellschaftspolitischen Paradigmenwechsel gekommen ist, bleibt zweifelhaft. Wo ist die Empörung geblieben, dass eine Mehrheit über die Rechte einer Minderheit abstimmen durfte? Sie ist nicht wirklich zu hören. Wozu auch? Ist ja alles gut gegangen.

Von der demokratischen Reife eines Volkes wird gern gesprochen, wenn es um direkte Demokratie geht. Gemeint ist damit, dass die Wähler nicht auf populistische Versprechungen oder Angstmacherei hereinfallen. Als im Frühjahr 2013 das österreichische Volk zur Zukunft des Bundesheers gefragt wurde, hätten sich viele ein wenig Weitsicht gewünscht – wurde doch damals mittels Volksbefragung die Wehrpflicht für mehrere Jahrzehnte einzementiert. Basierend vor allem auf dem angstbeladenen Argument, dass mit einem Berufsheer die Zivildiener als billige Hilfskräfte für Rettungswesen und Pflege wegfallen würden. So viel zur demokratischen Reife. Abgestimmt über mehrere Monate Lebenszeit junger Männer wurde dabei übrigens vor allem von Menschen, die nicht vom Dienstantritt beim Bundesheer betroffen sein würden. Auch das war schon ein Grenzfall der direkten Demokratie.


Doch ganz egal, für wie demokratiereif man ein Volk erachtet – das gewünschte Ergebnis darf letztlich keine Rolle darin spielen, ob man ein Thema nun zur Abstimmung zulässt. Entscheidend muss sein, ob sich die Frage für eine direkte Abstimmung eignet, weil es etwa um eine grundlegende Richtungsentscheidung des Staatswesens geht. Für alle anderen Entscheidungen gibt es die gewählten Volksvertreter, die nach Abwägen aller Argumente eine Entscheidung treffen müssen. Genau so sollte es auch bei dem so sensiblen Thema der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare sein.

Abseits davon muss eines klar sein: Direkte Demokratie darf nicht dazu dienen, Menschenrechte zu verletzen, in Grundrechte einzugreifen oder die Rechte von Minderheiten zu beschneiden. Also nein, die Schweizer hätten nicht über ein Bauverbot von Minaretten abstimmen dürfen. Und die Österreicher sollten nicht darüber abstimmen, ob Homosexuelle heiraten dürfen.

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2015)

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