Wien, wir haben ein Problem!

Ein verheerendes Signal der steirischen Landtagswahl wäre: Reformer werden immer bestraft, Stillstand zahlt sich aus. Das Gegenteil ist wahr.

Kennen Sie Mario Kunasek? Ab heute vermutlich schon. Dem Mann und seiner steirischen FPÖ ist ein Wahlerfolg gelungen, der in die Innenpolitikstatistik eingehen wird: Die Freiheitlichen haben sich bei der steirischen Landtagswahl fast verdreifacht. Weder politische Beobachter noch Meinungsforscher haben damit gerechnet.

Verluste sind beiden Regierungsparteien im Grazer Landhaus zwar ebenso vorhergesagt worden wie ein Plus der FPÖ – die Ausmaße überraschen jedoch selbst erfahrene Steiermark-Kenner. Natürlich gibt es historische und regionale Erklärungsansätze für das Ergebnis: Die Freiheitlichen waren zuletzt mit knapp mehr als zehn Prozent Stimmenanteil weit unter ihrem nationalen und langjährigen steirischen Durchschnitt. Die Steiermark und vor allem Graz waren immer ein guter Boden für die FPÖ.

Das sind aber nur Fußnoten. Entscheidend sind lediglich zwei Fragen: War der Reformkurs der beiden Regierungspartner, Franz Voves und Hermann Schützenhöfer, der sich zuletzt viel besser hielt als bisher angenommen, schuld an ihrem Wahldebakel?

Oder ist die bundespolitische Negativstimmung für das steirische Ergebnis verantwortlich? Der Kanzler und seine Sprecher werden dies verneinen: Es gebe absolut keinen bundesweiten Negativsog für die SPÖ.

Doch das ist eine Lüge.

Im Burgenland verfügte Landeshauptmann Hans Niessl ähnlich wie Erwin Pröll in Niederösterreich über einen perfekt geölten Parteiapparat, gute Berater und viel Geld. Ihn plagten keine Rechtspopulismus-Skrupel. Und dennoch verlor er an diesem Wahlsonntag Stimmen und Mandate. Nur der Vergleich zum Waterloo an der Mur macht diese Katastrophe am Neusiedler See zu einer etwas kleineren Katastrophe.

Soll heißen: Nicht die Steiermark ist die große Ausnahme, sondern wohl eher das Burgenland. Stimmt schon, die beiden Herren in der Grazer Burg, Franz Voves und Hermann Schützenhöfer eben, hätten vielleicht doch mehr und besser die Sinnhaftigkeit ihres Sanierungskurses für die Steiermark erklären müssen. Etwa: Was passiert, wenn ein Landeshauptmann nichts tut – das zeigte Kärnten, nicht die Hypo allein riss das Bundesland in den Beinahekonkurs. Es war die Verschwendung – auch für Sozialleistungen – blauer Landeshauptleute.

Dass jetzt deren Parteifreunde ein paar Kilometer weiter östlich mit Kritik an schmerzlichen Reformmaßnahmen so erfolgreich gewesen sind, gehört zur Logik von Absurdistan, genannt Österreich.

Nein, der Reformkurs in der steirischen Landespolitik war richtig und gut, aber leider vielleicht in einem entscheidenden Punkt kaum kommunizierbar: Während sonst fast im ganzen Land satter Stillstand und gepflegtes Nichtstun herrscht, müssen die Steirer bluten. Den angestrengten Musterschüler spielt keiner gern. Während der Bundeskanzler mit ruhiger Hand auf die wirtschaftliche Erholung hofft, versuchten die zwei steirischen Landeshäuptlinge diese mit eigener Brachialkraft herbeizuführen.

Daher tragen diese Bundesregierung in Wien und ihr Chef eine hohe Verantwortung für den Kantersieg der FPÖ an diesem denkwürdigen Sonntag. Es wäre die Aufgabe eines echten Bundeskanzlers, höchstselbst für ein Klima der Reformen und für Veränderungen zu sorgen. Es wäre auch Aufgabe eines richtigen Regierungschefs, klare Aussagen zum Flüchtlingsproblem zu machen. Es wäre Aufgabe eines Spitzenmannes, etwas gegen die tiefe Verunsicherung eines großen Teils der Bevölkerung zu unternehmen. Es wäre, es wäre. Werner Konjunktiv.

Weitere SPÖ-Niederlagen werden folgen, weitere FPÖ-Triumphe gefeiert werden. Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl ist ab heute einmal wirklich grantig. Und jeder – vor allem, aber nicht nur – in der SPÖ weiß, was das heißt: Werner Faymann kann langsam, aber sicher sein Büro am Ballhausplatz aufräumen.

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rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2015)

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