Fällt das Nein der SPÖ zu Rot-Blau, steht die Partei ziemlich nackt da

Kann ein sozialdemokratischer Bundeschef so tun, als ginge es ihn nichts an, ob eine Landesfiliale mit der FPÖ zusammengeht? Nur, wenn er Faymann heißt.

Korrigiert ausgerechnet die burgenländische SPÖ, nicht eben die mitgliedermächtigste aller Landesorganisationen, den Kurs in einer für die Bundespartei zentralen Frage? Wedelt also, um ein durchaus eingängiges Sprachbild zu verwenden, gewissermaßen ein rot-blauer Schwanz mit dem Hund?

Der Sechs-Prozent-Minus-Mann Hans Niessl überlegt/prüft/schließt nicht aus/sondiert dieser Tage eine Koalition mit dem unbestrittenen Triumphator des vergangenen Wahlsonntags. Genau, der FPÖ. Hans Niessl könnte drauf und dran sein, als Korrektor der Franz-Vranitzky-Doktrin in die Parteigeschichte einzugehen. Diese lautet seit dem Sturz Norbert Stegers beim FPÖ-Parteitag 1986 und der Inthronisierung eines gewissen Jörg Haider: Keine Koalition mit der Haider-FPÖ, später, keine Koalition mit dieser FPÖ.

Die SPÖ hatte sich selbst fortan die Rolle ihres Lebens auf den Leib geschrieben, in der sie sich immer besser gefiel. Es fühlt(e) sich für SPÖ-Funktionäre richtig gut an, gegen einen als absolut böse definierten politischen Mitbewerber anzutreten. Und als der verlässliche „Ausgrenzer“ (©FPÖ) der Freiheitlichen im Spiel der Koalitionen aufzutreten. Das hat die SPÖ in den vergangenen Jahrzehnten nicht immer frei von Übertreibung getan, sie auf der Bundesebene der ÖVP strategisch mehr oder weniger ausgeliefert und in den Bundesländern wenig beweglich gemacht. Aber – nicht zu vergessen und nicht zu unterschätzen – das hat die SPÖ im vielfältiger, fluktuierender und damit unübersichtlicher gewordenen Parteienangebot auch sehr unverwechselbar gemacht.

Dabei: Schließt Hans Niessl im Burgenland tatsächlich einen Regierungspakt mit der FPÖ (oder würde das, was aus heutiger Sicht aber extrem unwahrscheinlich erscheint, die steirische SPÖ tun), wäre das bei einem Ernstnehmen der Wählerentscheidungen wesentlich naheliegender als die Fortsetzung einer Koalition der Verlierer. Als die Fortsetzung von Rot-Schwarz, in Österreich dem koalitionären Perpetuum mobile. Als die immerwährende (Mittel-)Große Koalition also.

Aber: Bricht Hans Niessl hier aus, bricht er gleichzeitig ein Tabu in der SPÖ – den in vieler Hinsicht Sonderfall Kärnten des Jahres 2004 ausgenommen, als für eine kurze Zeitspanne die SPÖ mit Landeshauptmann Jörg Haider gemeinsame Sache gemacht hat.

Die SPÖ wäre ihres Alleinstellungsmerkmals beraubt, ihres – längst haben Marketingsprache und -denken Einzug in das politische Handeln gehalten – USP (Unique Selling Proposition). Und würde wahrscheinlich mehr Wähler an die Grünen verlieren, als ihr Wähler von der FPÖ zuströmen würden. Nicht nur das. Selbst für bisherige treue SPÖ-Wähler wäre die Übertrittshürde zur FPÖ plötzlich leicht übersteigbar geworden.

Denn inhaltlich stehen einander bei nicht wenigen Themen SPÖ und FPÖ mit der großen Ausnahme des Bekenntnisses zur EU ohnedies um einiges näher, als das SPÖ und ÖVP je tun werden. Als Beschützer der Beschäftigten vor ausländischen Mitanbietern auf dem Arbeitsmarkt beispielsweise, in der Sozialpolitik oder hinsichtlich der beiden innewohnenden Tendenz zu Formen des Protektionismus.

Apropos Inhalte. Diese kommen traditionell vor dem Hintergrund von Koalitions- und Personalspekulationen zu kurz. Vielleicht wäre es gerade für die Sozialdemokraten ratsam, sich angesichts der FPÖ-Erfolge der eigenen inhaltlichen Profillosigkeit bis Leere zu stellen. Es wird Gründe haben, dass – anders als von der ÖVP vorexerziert – in der SPÖ die inhaltliche Neuausrichtung und Positionierung in Form eines Parteiprogramms gar so zäh und von außen betrachtet absolut lustlos verläuft.

Dass auch ein inhaltliches Neuaufladen allein nicht reicht, exerziert wieder die ÖVP vor, die zwar geringer, aber doch deutlich Stimmen verloren hat. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass eine größer werdende Zahl von Wählern SPÖ und ÖVP die Lösungskompetenz, die Politikfähigkeit generell abspricht.

Zusammengefasst: Fällt das Nein der SPÖ zu Rot-Blau, steht die Partei Werner Faymanns ziemlich nackt da. Eine für die Partei besorgniserregende Diagnose.

E-Mails an: dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2015)

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