Ein großer Wurf – für die Regierung Faymann

Jetzt aber wirklich: Die Steuerreform ist (fast) fertig. Wobei der Name täuscht: Es ist eine Tarifsenkung. Ohne Reformen. Aber immerhin ohne linken Unfug.

Es klang nach einer positiven Überraschung: Die Arbeitnehmerveranlagung erledigt nun automatisch das Finanzamt. Allerdings – und das ist dann wieder symptomatisch: Das Finanzamt macht das nur für Niedrigverdiener, jene, die bisher gar keine Lohnsteuer gezahlt haben, also etwa Praktikanten. Die anderen dürfen weiter zig Zettel ausfüllen, damit sie zurückbekommen, was ihnen zuvor (zu viel) abgenommen wurde.

Auch sonst: kleinliches rot-schwarzes Hickhack. Aber letztlich doch noch ein wenig Hausverstand, der in das Prestigeprojekt der Regierung Faymann einfloss: Nicht professionelle Zeltfestveranstalter sind von der Registrierkassenpflicht ausgenommen. Die innerfamiliäre Unternehmensübergabe wurde erleichtert. Und bei der Konteneinsicht sind nun ein Vieraugenprinzip und ein Rechtsschutzbeauftragter vorgesehen. Ob Letzteres den Grünen reicht, deren Zustimmung man für eine Zweidrittelmehrheit für die De-facto-Abschaffung des Bankgeheimnisses braucht, wird sich allerdings erst zeigen.

Die Grünen wollten eigentlich einen Richter. Die steirische ÖVP auch. Doch was zu erwarten war, trat ein: Nach den Landtagswahlen wird nicht mehr so heiß gegessen wie zuvor gekocht. Zumal die steirische ÖVP wie durch ein Wunder nun auch den Landeshauptmann stellt.

Die Steuerreform war für die Parteien natürlich immer auch Mittel zum Zweck. Die SPÖ erhoffte sich Rückenwind für die Landtagswahlen. Doch dieser wehte nicht. Weil die Steuersenkung noch nicht wirksam war. Vor allem aber, weil der Wähler selten die Taten der Vergangenheit belohnt, sondern vielmehr bestehende Probleme für die Zukunft gelöst haben will. Und die steigende Arbeitslosigkeit sowie die befürchtete weitere Steigerung der Zuwanderung sind solche.

Wenn die Steuerreform der SPÖ schon nichts gebracht hat, hat sie dann wenigstens den Bürgern etwas gebracht? Wenn man sich vom Terminus Steuerreform verabschiedet, dann schon. Es war vielmehr eine Steuersenkung im Zuge einer Tarifreform. Denn eine echte Reform hätte auch Reformen beinhalten müssen. Nicht zuletzt im Zusammenhang mit der – eher vagen – Gegenfinanzierung.

Es mag tatsächlich sein, dass ebendiese Renovierung der Steuertarife die Kaufkraft stärkt und so zu zusätzlichen Einnahmen führt. Nur was bringt das, wenn das Geld auf der anderen Seite, etwa im Pensionsbereich, wieder hinausfließt? Hier muss es – die ÖVP hat das bereits verstanden, die SPÖ noch nicht – zu vorausschauenden Anpassungen kommen.

Und dies ist und bleibt das Problem der Regierung Faymann. Deren Bilanz zwar besser ist als ihr Ruf – von der Kärntner Ortstafellösung über den Ansatz in der Gesundheitsreform bis zur Strafgesetzreform –, die jedoch ein Manko im Überdenken überkommener Positionen hat. Österreich fällt in den internationalen Rankings zurück. Aber ein aktives Gegensteuern findet nicht statt. Eine Anhebung des Frauenpensionsalters? Woll' ma net, brauch' ma net!


Im Sinn des sonst üblichen Verwaltens des Status quo, der kleineren Korrekturen da und dort, wirkt die „Steuerreform“ allerdings fast schon wie ein großer Wurf. Sofern man die Frage der Gegenfinanzierung nicht so genau stellt und auf Konjunktur-Glück hofft.

Und interessant auch: Von einer Vermögensteuer, dem Propagandaschlager von SPÖ und ÖGB der vergangenen Jahre, redet kaum noch jemand. Und ein Blick in die Schweiz zeigt: Auch die Erbschaftssteuer, nach dem Dafürhalten ihrer Befürworter unabdingbar für eine gerechte Gesellschaft, lässt ziemlich viele Menschen ziemlich kalt. 70 Prozent stimmten am Sonntag dagegen.

Für die Linke muss das eine schockierende Erkenntnis sein: Dass jene, denen man (vermeintlich) Gutes tun will, das gar nicht wollen.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2015)

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