Und warum nicht Christian Kern oder Gerhard Zeiler?

ÖBB-Chef Christian Kern.
ÖBB-Chef Christian Kern.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein Manager kann nicht als Kanzler quer in die Politik einsteigen, meinen manche in der SPÖ. Genau das hat Sinn, wir benötigen einen Sanierungskurs.

Die politische Tradition verlangt es, dass sich ein potenzieller Kandidat für ein politisches Amt ziert, jede Ambition leugnet, von einer anderen Lebensplanung fabuliert, notfalls auch lügt und erst am Schluss angeblich von den (Partei-)Freunden überredet wird. Es ist eine schlichte, ziemlich verlogene Tradition, auch wenn sie alle im kleinen österreichischen innenpolitischen Tümpel leben.

Nicht so Gerhard Zeiler. Der Mann ist der international erfolgreichste Medienmanager des Landes, führte einst den nicht ganz unpolitischen ORF und war davor klassisch in SPÖ-Kabinetten unterwegs. Er wagte etwas völlig Untypisches und Unösterreichisches. Er sagte: Ja, ich will. Dem „Kurier“ gegenüber gab er offen zu, dass er den Job des Kanzlers und SPÖ-Chefs machen würde, so er gefragt werde. Das ist erfrischend, ehrlich und positiv. Das sehr kurz skizzierte Arbeitsprogramm, das er an der Stelle Werner Faymanns durchziehen würde, klang nicht gerade nach Revolutionen, aber zumindest nach echter Arbeit. Völlig perplex über die Aussagen sehen die politischen Beobachter zwei Ursachen für dieses politische Outing: Entweder hat Zeiler die Unterstützung mächtiger Parteikreisen zugesagt bekommen und führt nun den Aufstand gegen den ungeliebten Kanzler an. Oder er hat den Verstand verloren.

Beides dürfte nicht der Fall sein, der Mann hat nur gesagt, was er denkt. Schon dafür verdient er Applaus. Der andere Manager, der immer wieder als Alternative für Faymann genannt wird, ist ÖBB-Chef Christian Kern. Er hat die dauernden Spekulationen langsam, aber sicher satt, aber wahr ist auch: Wer ihn kennt, ahnt, dass er sich dem Ruf seiner Partei, an die Spitze(n) zu wechseln und den im Schlamm steckenden Karren flottzumachen, nicht wirklich entziehen könnte.

Wie Zeiler wäre Kern eine positive Veränderung an der Staatsspitze.

Doch natürlich werden bereits Gegenargumente gegen beide ins Feld geführt: Es wäre das erste Mal, dass ein Manager ohne Ministeriums-Trampolin ins Kanzleramt und/oder ohne Parteifunktion an die Parteispitze hüpft. Beide hätten zu wenig Hausmacht in der SPÖ, beiden fehle die Unterstützung der Gewerkschaft und überhaupt seien sie zu (Zeiler sehr, Kern nicht ganz so) weit weg von der echten Politik in Wien.

Genau dies würde in der aktuellen Situation für einen derartigen Wechsel sprechen. Man mag zu Werner Faymann stehen, wie man will, er hat immerhin sieben Jahre an der Spitze ausgeharrt und den kleinen Teflon-Kanzler gegeben. Aber selbst innerhalb der Wagenburg am Ballhausplatz muss klar sein: Bei schlechten Daten ist der Wechsel an der Spitze irgendwann fällig. Nach vielen verlorenen Wahlen, angesichts einer für ihn anscheinend unaufhaltsamen FPÖ und unzähligen Statistiken, die belegen, dass Österreich in fast allen zukunftsweisenden Kennzahlen zurückfällt, wäre das einfach ein guter Schritt. Es ginge ja auch anders, als dass Wutbürger Faymann aus dem Kanzleramt jagen. Er könnte auch wieder, wie in anderen europäischen Ländern üblich, einen wichtigen Ministerposten übernehmen und nun selbst den Wechsel anbieten. Oder vorerst Parteichef bleiben. Oder Nationalratspräsident werden und Doris Bures in den Präsidentschaftswahlkampf schicken. Oder EU-Kommissar für Griechenland werden. Oder. Oder. Oder.


Ein Nichtparteipolitiker hätte dieser Tage einen Vorteil: Ähnlich wie bei Hans Jörg Schelling wäre die von der Politik frustrierte Öffentlichkeit großteils anfangs hinter ihm. Vor allem aber: Wann wären die Kompetenzen eines Managers gefragter als jetzt? Was das Land dringend brauchte, wäre ein klares Sanierungskonzept mit einem parallelen Investitionsplan in Bildung und (noch mehr) Forschung, die beide von der SPÖ mitgetragen werden. Dazu einen klaren Plan, wie man die Schulden verringert, die Kosten (von Agrarsubventionen über das Gesundheitssystem und den Zwitter-Föderalismus bis zu den Pensionen) nachhaltig senkt und das Land innerhalb weniger Jahre wieder auf Kurs bringt. Ein guter Manager weiß im Gegensatz zum Verbrannte-Erde-Erzeuger in Unternehmen, dass dies nur mit Empathie und Überzeugungsarbeit geht. Ein Manager bekommt einen zeitlich befristeten Vertrag und muss dessen Ziele erreichen. Die Legislaturperiode bietet noch einen Dreijahresvertrag.

E-Mails an:rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2015)

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