Athens unnötiger Weg zurück auf die ökonomische Intensivstation

Zu Jahresbeginn war Griechenland auf dem Weg der Besserung. Dann kam Syriza. Nun stehen die Griechen vor der Entscheidung: Reformen oder Grexit.

Der Name Prokopis Pavlopoulos wird den meisten Europäern kaum etwas sagen. Weshalb auch? Der griechische Präsident hat einen politisch ähnlich wichtigen Job wie sein österreichisches Pendant: Er repräsentiert das Land bei offiziellen Anlässen, schüttelt vielen anderen Staatsoberhäuptern die Hände. Und wenn es – wie aktuell – eine gehörige Krise im Land gibt, dann ruft er alle politischen Kräfte „zur Zusammenarbeit“ auf.

Dennoch ist der griechische Präsident der Grund für die Eskalation der Griechenland-Krise. Zum Jahreswechsel musste er nämlich durch das Parlament neu gewählt werden. Dreimal scheiterte der Kandidat der damaligen konservativen Regierung – weil die nun regierende linke Syriza die Zustimmung verweigerte. Grund dafür war aber nicht, dass man dem Regierungskandidaten und Ex-EU-Kommissar Stavros Dimas das Amt nicht zugetraut hätte. Man wollte vielmehr jene Verfassungsbestimmung erzwingen, wonach es nach dreimaligem Scheitern auch im Parlament Neuwahlen geben muss. Und diese brachten wie erwartet die bis dahin als Fundamentalopposition tätige Syriza auf die Regierungsbank.


Zu diesem Zeitpunkt war die griechische Krise bereits seit Monaten aus den Schlagzeilen verschwunden. Das Land, das ja gern mit einem Schwerkranken verglichen wird, litt zwar unter den Nebenwirkungen der in einigen Bereichen zu starken Dosierung der Medikamente. Grundsätzlich machten sich jedoch erste Erfolge der von vielen verteufelten Austeritätspolitik bemerkbar. So konnte bereits ab 2013 wieder ein Primärüberschuss (also ohne Zinszahlungen) erzielt werden. Für 2014 wurde von Brüssel auch erstmals seit Jahren wieder ein leichtes Wirtschaftswachstum prognostiziert. Der Patient hatte zumindest die Intensivstation bereits verlassen – die akute Lebensgefahr war gebannt. So hatte auch Angela Merkel im September 2014 beim Besuch des damaligen griechischen Premiers, Antonis Samaras, nur Worte des Lobes für die Fortschritte in Athen.

In diese Situation platzte die Syriza-Regierung unter Alexis Tsipras wie ein Wunderheiler, der jegliche Schulmedizin ablehnt und Heilung dank der Kraft höherer Mächte verspricht. So wurde etwa der abgespeckte Beamtenapparat des Staates wieder aufgebläht, und auch andere Reformen der Vorgängerregierung wurden rückgängig gemacht.

Und wie bei einem Kranken sorgte diese Therapie für eines: eine drastische Verschlechterung des Zustandes. Verhandelte Griechenland im Herbst des Vorjahres mit den Geldgebern noch darüber, ob der Primärüberschuss heuer 2,3 oder drei Prozent ausmachen soll, ist selbst im nun von Athen zurückgewiesenen Verhandlungspapier nur mehr der Wunsch nach einem Überschuss von einem Prozent enthalten. Aber auch das wird Athen mit der derzeitigen Politik nicht schaffen.


Das vergangene halbe Jahr verbrachte Syriza damit, die Geldgeber mit fehlenden Zahlen an der Nase herumzuführen und mit abenteuerlichen Forderungen vor den Kopf zu stoßen. Den Höhepunkt erreichte diese Methode am vergangenen Wochenende, als Tsipras plötzlich ein Referendum aus dem Hut zog, das Tage nach dem Ablaufen der letzten Frist stattfinden soll. Das soll erneut nur Zeit schinden. Denn dieses Referendum kommt nicht nur viel zu spät. Es soll laut Tsipras ja auch keine Abstimmung über den Verbleib im Euro sein.

Doch genau das ist die Frage, über die die Griechen nun entscheiden müssen. Entweder sie schwenken wieder ein auf den harten, aber langfristig erfolgbringenden Reformkurs von bis vor einem halben Jahr. Oder sie werden den Euro verlassen. Dies wird nicht schlagartig durch ein offizielles Austrittsgesuch geschehen – das wird es nie geben. Sondern über die schleichende Einführung einer Parallelwährung, sobald in der Staatskasse kein Euro für die Bezahlung von Pensionen oder Beamtengehältern mehr da ist.

Den dritten Weg – die dauerhafte Subventionierung Griechenlands durch die anderen Euroländer – gibt es nämlich nicht. Auch wenn man ihn sich bei Syriza und manchen Sympathisanten in anderen Ländern erträumt.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2015)

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