Die Bildungsreform ist tot, es lebe das Bildungsreförmchen!

Nach dem Ausscheiden von zwei Landeschefs erscheinen größere Bildungsreformen ausgeschlossen. Jetzt muss man angehen, was noch möglich ist.

Eigentlich fragt man sich, warum die Landeschefs sich überhaupt noch die Mühe machen, mit den üblichen Scheinargumenten aufzuwarten: Man steige aus der Bildungsreformgruppe aus, weil die ernsthaften Bemühungen fehlen würden. Für oberflächliche Kosmetik stehe man nicht zur Verfügung. Alibireformen gebe es mit den Landeshauptleuten nämlich sicher keine. Et cetera p. p.

Es braucht kein Fitzelchen Fantasie, um das zu übersetzen: Die Landeschefs steigen aus der Reform aus, weil die Lehrer nicht in die Hand der Länder kommen. Für alles, was den eigenen Einfluss beschneiden könnte, steht man nicht zur Verfügung. Reformen gibt es mit den Landeshauptleuten also keine. Punkt.

Inhalte sind den Landeschefs – Überraschung! – völlig egal. Es geht um Macht. Gern mehr davon, niemals weniger. Dafür fällt Hans Niessl selbstredend auch seiner eigenen Ministerin in den Rücken.

Dass die Länder die Koalition wechselweise blockieren, sie vor sich hertreiben und anrennen lassen, ist weder neu noch sonderlich überraschend. Spätestens die Asyldebatte hat gezeigt, woher der Wind weht, vor dem sich Kanzler Werner Faymann und zunehmend auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner nur noch ducken.


Ein „Glückstag“, wie Werner Faymann vor drei Monaten vollmundig angekündigt hat, wird der 17. November – der Abgabetermin für die Bildungsreform – also sicher nicht. Denn auch, wenn die Arbeitsgruppe jetzt einfach weitermacht – ohne den mächtigen Erwin Pröll sind größere Sprünge realpolitisch nicht drin.

Sollte man es also am besten einfach bleiben lassen? Reset, Neustart, zumindest bis zum nächsten Absturz?

Für eine Reform, die wirklich Hand und Fuß hat, ein Schulsystem, in dem alles zusammenpasst, wäre das wahrscheinlich klüger. Will man, dass die Schule zumindest da und dort besser wird, muss man aber vermutlich sagen: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Denn eine wirklich umfassende Reform ist realpolitisch ohnedies nicht möglich.

Auch wenn sich Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek in jüngster Zeit nicht gerade hervorgetan hat, muss man sie ermutigen, zumindest jene Reformen (oder vermutlich eher: Reförmchen) anzugehen, die sie auch ohne einen Erwin Pröll umsetzen kann.

Einige hat sie selbst genannt: Mehr Schulautonomie ist ein zentraler Punkt – auch wenn das besser gelänge, würde die Schulverwaltung insgesamt reformiert, immerhin gilt es auch, Verantwortungen von einer auf eine andere Ebene zu verschieben. Aber zumindest sollten Schulen ihre Unterrichtszeit flexibler einteilen und über einen Teil ihrer Lehrpläne entscheiden können.

Der Übergang zwischen Kindergarten und Schule bedarf einer Verbesserung. Die Frage, wie man mit Schülern umgeht, die nicht gut Deutsch sprechen, muss dringend gelöst werden – und ganz zentral die, wo man die nötigen Ressourcen auftreibt, um sie so zu fördern, dass Schule für sie Chance bedeutet.

Wie es gelingt, dass Schule generell mehr Chancen bietet, als das derzeit der Fall ist – für jeden Schüler –, muss Thema sein. Genauso wie die Neue Mittelschule. Auch wenn die erste Evaluierung enttäuschend war: Die Neue Mittelschule ist inzwischen schlicht Realität.

Manches davon wäre einfacher, würde das leidige Thema mit der Schulverwaltung gelöst. Auch finanziell nämlich: Zwischen 20 und 30 Prozent Sparpotenzial orteten die Experten, die den ersten Entwurf für eine neue Schulstruktur erarbeiteten. Geld, das besser beim Schüler aufgehoben wäre.


Bleibt noch die Frage, ob man es als Omen werten soll, dass ausgerechnet Wiens Landeschef, Michael Häupl – der vor nicht allzu langer Zeit über die Arbeitszeit der Lehrer gelästert hat –, seinen burgenländischen Kollegen, Hans Niessl, in der Reformgruppe ersetzt. Symbolisch ist das mäßig gelungen. Ganz abgesehen davon, dass Häupl zumindest bis zur Wiener Wahl am 11. Oktober – fünf Wochen vor der Deadline für die Reform – andere Prioritäten hat.

bernadette.bayrhammer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2015)

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