Dieser Papst ist eine einzige Provokation

Kritik und Enttäuschung sind die ständigen Begleiter von Benedikt XVI. – auch während seiner Israel-Reise.

Da ruft Benedikt XVI., kaum dem Flugzeug entstiegen, das ihn nach Israel gebracht hat, zum Kampf gegen jede Form von Antisemitismus auf. Und es heißt prompt, der Papst hätte den darauf folgenden Termin in der HolocaustGedenkstätte Yad Vashem dafür nützen müssen, sich von Holocaust-Leugner Richard Williamson und der (von der katholischen Kirche entgegen vieler Berichte noch und wahrscheinlich für immer getrennten) Piusbruderschaft zu distanzieren. Da gedenkt das Oberhaupt der Katholiken der Millionen während der Nazidiktatur umgebrachten Juden. Und es heißt, er habe anders als noch Johannes Paul II. vor neun Jahren das Wort „ermordet  vermieden.


Da steht der Bischof von Rom in Yad Vashem vor dem langen Verzeichnis aller Orte, in denen es Konzentrationslager gegeben hat. Und es heißt, er hätte es peinlich vermieden, das angeschlossene Museum auch zu besuchen, in dem auf das öffentliche Schweigen von Pius XII. zum Holocaust hingewiesen (und dessen Hilfe für geflüchtete Juden vergessen) wird.


Da äußert der gebürtige Deutsche für „seine“ Kirche das Mitleid mit den Opfern des Holocaust. Und dann heißt es, er sei nüchtern, kalt wie ein Historiker aufgetreten. Dass sich der israelische Parlamentspräsident Reuven Rivlin in einem Radiointerview sogar dazu verstiegen hat zu meinen, er (der Papst) „gehörte zu ihnen“ (den Nazis nämlich), weist diesen Mann zumindest als geschichtlich eher desorientiert aus.


Da folgt der Papst in Amman einer ausdrücklichen Bitte seines Gastgebers, beim Durchschreiten der Aula einer Moschee doch die Schuhe anzubehalten, weil er darin nach eigenen Angaben ein Zeichen des gegenseitigen Respekts zwischen Muslimen und Christen sieht. Und ein Zeitungskommentator im fernen Wien meint, Benedikt habe sich einfallslos verhalten, weil er nicht selbst eine Geste gesetzt habe, wie jeder andere auch in Strümpfen zu gehen. Was, wenn der Gast aus Rom dieser „Empfehlung“ gefolgt wäre? Wer weiß, wie das interpretiert worden wäre? Als Brüskierung seines muslimischen Gastgebers? Als Betonung der Gegensätze zwischen Islam und katholischer Kirche?


Übrigens für die, die es ganz genau wissen wollen: Gestern hat Benedikt wieder eine Moschee betreten. Diesmal den Felsendom zu Jerusalem. Und was hat er bei diesem ersten Besuch eines katholischen Oberhauptes an diesem Ort gemacht? Er hat sich doch tatsächlich seines Schuhwerks entledigt. Kritik daran, der Papst dürfe sich doch nicht die Regeln anderer Glaubensgemeinschaften so mir nichts, dir nichts einfach diktieren lassen, ist bisher ausgeblieben. Noch.


Natürlich, ein weltweit Agierender wie der Papst steht auch weltweit unter Dauerbeobachtung. Dass er immer wieder Widerspruch provoziert, hat mehrere Gründe. Einmal, weil er in den sehr großen Fußspuren seines Vorgängers Johannes Paul II. wandelt, der Weltgeschichte geschrieben hat. Dann auch, weil Benedikt während seiner Amtszeit schon zwei Mal eine gehörige Portion Ungeschicklichkeit bewiesen hat. Stichwort Regensburger Rede, als er sich heftige Kritik von Muslimen anhören musste. Stichwort Piusbrüder, ein Thema, bei dem er bei Juden und nicht wenigen Katholiken auf großes Unverständnis gestoßen ist.

Unter all dem medialen Getöse geht aber beinahe völlig unter, was das große Anliegen dieses Papstes gerade auch jetzt während seines Besuches in Israel ist: Das Gewinnen und Vertiefen von Vertrauen zwischen den drei großen monotheistischen Religionsgemeinschaften, das Fortsetzen und Intensivieren eines zuletzt manchmal doch recht schleppend verlaufenden Dialogs. Dass es gravierende Unterschiede gibt, ist evident. Leuten wie Joseph Ratzinger war es vorbehalten, nach den stürmischen Reformjahren des Zweiten Vatikanischen Konzils das von manchen als verwaschen angesehene Profil der katholischen Kirche kräftig nachzuschärfen. Nun scheint die Zeit der Betonung der Gemeinsamkeiten gekommen. Nicht umsonst hat sich der Papst (zum wievielten Mal eigentlich?) in Israel abermals voll zu den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils mit der Absage an Antisemitismus und der Respektierung des Islam bekannt. Die Zeit der Gemeinsamkeiten scheint gekommen, weil der militanter werdende Atheismus alle Religionen gleichermaßen bedroht.

Und vor allem, weil gesellschaftliche wie wirtschaftliche Fragen nur noch global beantwortet werden können. Da muss der Mann in Weiß provozieren. Auch wenn es manche Katholiken vergessen haben könnten: Das gehört wohl zu seiner Jobdiscription.

dietmar.neuwirth@diepresse.com

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