Und jetzt die ÖVP-Klub-Weltherrschaft

Die ÖVP wirbt zwei weitere Mandatare des Teams Stronach ab und überschätzt die eigene Bedeutung. Genau das, was eine bürgerliche Partei mit Haltung nicht macht.

In diesem schönen Sommer können wir bereits einige wichtige Titel vergeben. Das innenpolitische Zitat 2015 steht ebenso fest wie der Sommerlochgräber des Jahres. Über beide Auszeichnungen darf sich Reinhold Lopatka freuen. Der ÖVP-Klubobmann formulierte noch am Freitag auf die Frage, ob Abgeordnete des Teams Stronach zu ihm wechseln würden, ganz entschieden: „Das kann ich ausschließen. Ich weiß, wer bei uns ist. Ich bin doch noch bei Sinnen.“ Dieser Aussage und Logik folgend ist der Westentaschen-Underwood (TV-Serie „House of Cards“) also seit Samstagmittag nicht mehr bei Sinnen. Diese unverhohlene Unwahrheit beziehungsweise den radikalen Schwenk innerhalb von nicht einmal 24 Stunden erklärt der Mann wie folgt: „Manchmal muss man schnell handeln.“

Kathrin Nachbaur, ehrenwerte Vertraute von Frank Stronach, liberal und mit guten Beziehungen in die ÖVP-nahe Wirtschaft, und Exjournalist Rouven Ertlschweiger wechseln also in den ÖVP-Klub, wo ihre Exkollegen Georg Vetter und Marcus Franz bereits auf sie warten. Damit ist die ÖVP unter Einberechnung der EU-Abgeordneten und Bundesräte die größte Fraktion, wie Lopatka stolz und napoleonisch verkündet: Was die Größe der Volkspartei bringt, sagt er nicht. Kaum bis nichts außer der Symbolik nämlich. Beide Überläufer beteuern natürlich, nur in den ÖVP-Klub zu wechseln, weil sie sich dort besser einbringen können und ohnehin schon immer ein bisschen bürgerlich gewesen seien. Man werde auch weiter gut über Frank Stronach reden, und es gehe sicher nicht um das Geld. Natürlich nicht.


Völlig überflüssig. Das Team Stronach war und ist als Partei nicht ernst zu nehmen und völlig überflüssig. Ideologisch setzte das Team, deren De-facto-Chefin Nachbaur eine Zeit lang war, auf eine diffuse Mischung aus kindlichem Patriotismus, bemühtem Rechtspopulismus und einer Wirtschafts- sowie Sozialpolitik, die zwischen links und kleinunternehmerliberal mäanderte. (Nicht wenige im Team zurückgebliebene Mandatare waren einst bei FPÖ und BZÖ.) Also ziemlich präzise auf das, was in der ÖVP entweder leider ohnehin abgedeckt wird oder wirklich keiner braucht. Wenn schon, hätte die ÖVP bei den Neos anklopfen sollen (was sie vermutlich sogar getan hat). Vor allem aber gibt es so etwas wie politische Haltung und Loyalität: Gehört man einer Partei und einem Klub an, kann man bei einem ernsten Zerwürfnis aussteigen. Immerhin ist man/frau ja gewählt. Aber in einen anderen Klub einzusteigen ist schlicht Wählertäuschung. Auch wenn die Gefahr, dass alle Ex-Team-Stronach-Mandatare wieder auf einem aussichtsreichen Platz einer Nationalratsliste auftauchen werden, überschaubar ist. Lopatka hat in der Schule sicher seinen Cäsar gelesen: „Ich liebe den Verrat, aber den Verräter lobe ich nicht.“ Denn der macht das sicher wieder.

Auf eine schwarz-blaue Mehrheit legt es Lopatka dem eigenen Vernehmen nach nicht an. Aber worauf dann? Macht? Kanzleramt? Aufmerksamkeit? Bilder in den Zeitungen und im TV? Böse Kommentare wie diesen? Das wird so nichts. Aber vielleicht ist das alles nur ein seichtes Unterhaltungsprogramm, und irgendwo läuft eine Kamera.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

OeVP-STAeRKSTER KLUB IM PARLAMENT: LOPATKA / NACHBAUR / ERTLSCHWEIGER
Innenpolitik

ÖVP: Auffanglager für Stronach-Flüchtlinge

Der ÖVP-Klubchef wirbt zwei weitere Mandatare vom Team des Austro-Kanadiers ab. Darin sieht er das wirtschaftsliberale Element der ÖVP gestärkt.
Politik

Nachbaur und Ertlschweiger wechseln in ÖVP-Klub

Die ÖVP fischt weiter in den sich lichtenden Reihen des Team Stronach. Heute wurden die nächsten beiden Neuzugänge im ÖVP-Klub präsentiert.
Innenpolitik

"Geistige Revolution": Lugar führt Stronachs letztes Aufgebot an

Waltraud Dietrich übergibt an Robert Lugar. Der neue Klubchef will nun zurück zu den Anfängen, in die – populistischere – Vor-Nachbaur-Ära.
Lugar soll Stronachs "geistige Revolution" fortsetzen
Politik

Lugar soll Stronachs "geistige Revolution" fortsetzen

Waltraud Dietrich zieht sich als Klubchefin zurück und entschuldigt sich bei den Wählern. Frank Stronach will Parteichef bleiben, solange "es nötig ist".
Robert Lugar: Stronachs Stehaufmann
Politik

Robert Lugar: Stronachs Stehaufmann

Lugar übernimmt erneut die Klubführung im Team Stronach.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.